„Saugt auf, bevor Geruch entsteht“ – Katzenbesitzer (oder vielmehr Fernsehzuschauer) kannten bereits in den 1990er Jahren diesen Slogan der Katzenstreumarke Catsan. Das Konzept Prävention und Früherkennung war also bereits vor mehr als 30 Jahren bekannt. Warum klappt es in Deutschland dann im Bereich häusliche Gewalt nicht damit?
Ein Viertel aller polizeilich erfassten Gewalttaten fällt in den Bereich der häuslichen Gewalt. Das waren im vergangenen Jahr mehr als 250.000 und damit 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Tendenz seit Jahren steigend. Das Bürgerportal Bergisch Gladbach rechnet das um: Fast alle zwei Minuten wird ein Mensch Opfer von jemandem, den er gut kennt. Das Tückische an diesem „häuslichen Rahmen“: Zeugen gibt es oft keine. Die Hemmschwelle, seinen Freund oder Ehemann – oder gar Vater – anzuzeigen ist sehr hoch. Die Bereitschaft, zu verzeihen, ebenfalls. Kaum irgendwo ist das fast schon satirische geflügelte Wort „Die Dunkelziffer liegt höher“ wahrer als hier. Schauen wir auf die Zahlen, die wir haben, sind rund 70 Prozent der Betroffenen weiblich. Bei der Gewalt von Frauen gegen Männer ist die Dunkelziffer abermals höher, denn hier kommt noch mehr Scham ins Spiel. Es ist also wichtig, genau hinzusehen, zu sensibilisieren und vorzubeugen.
Hemmschwellen
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kündigte ein „Gesetz zur Sicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung für Betroffene häuslicher Gewalt“ an. Eigentlich sei das aber Ländersache, sagte sie, und man ahnt: Das Gesetz wird ewig in Arbeit sein und am Ende nicht die in Aussicht gestellten Effekte zeitigen. Wie versuchen andere Länder dem Problem beizukommen?
In England und Wales gibt es sogenannte MARACS. Dabei handelt es sich um regelmäßige Treffen, bei denen verschiedene Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen, um Fälle von häuslicher Gewalt zu besprechen und zu koordinieren. Sie wollen Hochrisikofälle identifizieren und maßgeschneiderte Schutzmaßnahmen für die Betroffenen entwickeln. Mit dabei sind unter anderem Vertreter aus Polizei, Gesundheitswesen, Sozialdiensten, Schulen, Frauenhäusern und Bewährungshilfe. Laut einem Bericht des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen konnten mit diesem System Wiederholungstaten um 60 Prozent reduziert werden.
Wiederholungstaten verhindern
In Australien steht das Domestic Violence Prevention Centre (DVPC) insbesondere, aber nicht nur, Frauen zur Seite. In kostenlosen Beratungsangeboten, Workshops und auf ihrer Website informiert das DVPC in Zusammenarbeit mit Behörden und Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben, wie man, milde gesagt, ungesunde Beziehungen erkennt, Eskalation vermeidet und rechtzeitig verlässt. Es gibt Tipps für eine sichere Trennung (oder Flucht), denn während der Trennung kann die Gefahr für die Frau am größten sein.
An der Universität Barcelona werden sowohl ein Masterstudium als auch ein Postgraduiertenprogramm in „Prävention und Behandlung familiärer Gewalt“ angeboten. Darin geht es unter anderem darum, Anzeichen von häuslicher Gewalt auch bei Kindern zu erkennen, damit umzugehen und an die richtigen Stellen zu melden. Doch wer kann die vierstelligen Studiengebühren bezahlen? Gibt es genug Stellen für solche Spezialisten? Zugang und Attraktivität hängen sehr von der Politik ab, die so etwas fördern kann und sollte.
Auch in Deutschland gibt es lokale und überregionale Initiativen, die aufklären, verhindern und helfen wollen. Und selbst wenn es sich dabei um öffentliche Programme handelt: Unterfinanziert sind sie alle.
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