Dortmund, 19.3. – Die Protagonistinnen im Dokumentarfilm „Flowers of Freedom“ begeisterten das Publikum im Kino im U bei der NRW-Preview in Dortmund. Es ist eine David gegen Goliath-Geschichte, bei der die Sympathien klar verteilt sind: Vier Frauen in einem kirgisischen Dorf leisten mutigen Widerstand gegen die ungebremste Umweltzerstörung durch eine ansässige kanadische Goldmine. Im Filmgespräch erläuterte Regisseurin Mirjam Leuze die langwierige Entstehung dieses außergewöhnlichen Films. Als Ethnologin kannte sie die Gegend bereits und spricht die Landessprache fließend. Weil es zunächst keine Mittel für die Produktion gab, war Leuze bei dem Dreh auf sich allein gestellt; das alles führte von Anfang an zu einer großen Nähe und Verbundenheit mit den Protagonistinnen. „Wenn wir nichts tun, wer dann?“ ist deren Motto, und Erkingül ist ihre mitreißende Wortführerin.
Eine kleine Video-Kamera ist bei den Demos für die Frauen eine wichtige Waffe; alles wird dokumentiert um später Zeugnis abzugeben über den wahren Hergang und die übermäßige Polizeigewalt. Denn die Frauen haben sich mit mächtigen Gegnern angelegt. Die Mine liefert rund 12% der kirgisischen Wirtschaftsleitung. Die Machtelite des Lande ist geprägt von Vetternwirtschaft und Korruption und eng verbandelt mit den ausländischen Investoren, die ausschließlich auf Profitmaximierung aus sind. Sie agieren ohne soziale und ökologische Verantwortung. Als Zuschauer erleben wir die Geschichte des Widerstands aus der Perspektive der Dorfbewohnerinnen, die nach einem schweren Minen-Unfall im Jahr 1998 erstmals politisch aktiv werden, als Zyanid ins Wasser gelangte und viele Menschen vergiftet wurden. Das „Krisen-Management“ bestand aus Vertuschungen und Bedrohungen der geschädigten Bevölkerung. Dennoch erkämpfen Erkingül und ihre Mitstreiterinnen über die Jahre 3,7 Mio. US-Dollar Entschädigung. Als im Frühjahr 2010 in der Revolution die Regierung von Präsident Barkijew gestürzt wird, sind die Frauen ganz vorne mit dabei. Auch Mirjam Leuze reist wieder ins Dorf und filmt, wie Erkingül ins Parlament gewählt wird und ihren Kampf als Politikerin aus der Hauptstadt Bishkek weiterführt.
Weil Leuze mit ihrer Kamera über einen langen Zeitraum eng mit den Frauen zusammen ist, gelingen ihr wunderbare Alltags-Szenen, die vom Witz und der Unerschrockenheit der Frauen zeugen, manchmal ganz unaufgeregt wie nebenbei, etwa beim Bügeln, Kochen oder gemeinsamen Feiern, dann auch im Triumpf, wenn Erkingül endlich als Teil einer Untersuchungs-Kommission Einlass in die Mine bekommt. Das war für die Regisseurin der Moment, den sie für sich als Höhepunkt im Streit um die Mine ausgemacht hat; ein wichtiges Etappenziel, auch wenn der Kampf noch lange nicht beendet ist.
Bei der Filmpremiere im Dorf sei die Stimmung melancholisch gewesen, berichtet Leuze. Obwohl viel erreicht wurde, ist die Gruppe nicht mehr eng bei einander, und der politische Kampf zäh. Die wirtschaftliche Lage des Landes und der Dorffrauen verschärft sich mit der russischen Wirtschafts-Krise.
Zustande kam der anregende Filmabend in Kooperation mit dem Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund|Köln, das vom 14. bis 19 April rund 100 Filme in Dortmund präsentieren wird. www.frauenfilmfestival.eu
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