Der Kampf der Geschlechter ist in vollem Gange. Zunehmend gewinnt er an Schärfe. Aber wir sollten uns nicht täuschen, auch in der Vergangenheit wurde um Herrschaftsverhältnisse gerungen. „Die Bakchen“ des Euripides wiesen schon in der Antike auf die entfesselte Gewalt an der Frontlinie der Geschlechter hin, da zerfleischt die Mutter den Sohn im Zustand der Raserei. Die portugiesische Choreographin Marlene Monteiro Freitas zeigt im Oktober ihre Produktion „Bacchae – Prelude to a Purge“ im Tanzhaus NRW in Düsseldorf und zuvor ab dem 29. August über vier Tage hinweg auf PACT Zollverein in Essen. Das achtköpfige Ensemble ringt mit fünf Trompeterinnen um die Entstehung des Tanzes aus dem Geiste der Musik. Ein Unternehmen, das mit Dramatik und Humor dem Körper jeden Anflug von Konventionalität in Bewegung und Geste auszutreiben versucht. Wie kommt man zum Nullpunkt der Bewegung? Zu jenem Moment der Authentizität, der alle uns bekannten Bedeutungen abstreift? Eine Expedition ins Reich der Zeichen, die dem Körper der Tänzerinnen alles abverlangt, bietet die Arbeit von Monteiro Freitas.
Verausgabung ist in diesem Jahr ein zentrales Thema innerhalb des Tanzprogramms der Triennale. Noch puristischer, noch härter geht Mónica Calle in ihrer Produktion „Ensaio para uma Cartografia“ zu Werke. Aus dem Off ist die Stimme eines unerträglich autoritären Dirigenten zu hören, der mit einem Orchester Kompositionen von Strawinsky, Beethoven und Ravel einstudiert. Derweil tritt eine 12-köpfige Gruppe von Frauen auf die Bühne, die sich entkleidet und in der Konfrontation mit der disziplinierenden Männerstimme tanzt. Das weibliche Ensemble besteht aus Tänzerinnen, die keine professionelle Ausbildung besitzen, was der Tatsache, dass sich die Frauen bis zur Erschöpfung verausgaben, eine zusätzliche Dramatik verleiht. Eine Performance, in der es um alles geht, die das Publikum nicht unberührt lassen wird. Der Perfektion bieten die Akteurinnen mit ihrem unbedingten Einsatz die Stirn. Genau darin besteht die besondere Schönheit dieses Versuchs einer Kartografie der Gefühle. Eigentlich als Ersatz für Bruno Beltrãos „New Creation“ gedacht, die nicht mehr rechtzeitig fertig wurde, könnte sich Mónica Calles Produktion alsderGeheimtipp der Triennale entpuppen.
Die Unerbittlichkeit der brasilianischen Klassengesellschaft bildet das Sujet von „aCORdo“, einer Choreographie von Alice Ripoll, die von Tänzern aus den Favelas präsentiert wird. Ripoll sucht den Kontakt mit dem Publikum, verschiebt Grenzen der Wahrnehmung und der Rollenerwartung. Auch hier verwandelt sich jede Vorstellung in eine Performance, in der die Regeln nur ungefähr vorgegeben sind. Große Erwartungen verbinden sich mit „Chapter 3“ einer für das Finale des Festivals in Auftrag gegebenen Produktion von Sharon Eyal und Gai Behar. Das israelische Künstlerpaar eilt von Erfolg zu Erfolg. So ließ sich das Modehaus Dior die Präsentation seiner Kollektion in Paris von den beiden gestalten. Im Gegenzug wird Dior die Kostüme von „Chapter 3“ liefern. Fieberhaft laufen die Vorbereitungen, allein das Thema steht fest, denn nach den ersten beiden Folgen, in denen die Liebe geboren wurde und dann zerbrach, geht es nun um die Frage ob man sie wieder reparieren kann.
„Bacchae – Prelude to a Purge“ | 1.9. 20 Uhr | PACT Zollverein Essen | 0234 97 48 33 00
„Ensaio para uma Cartografia“ | 6.-9.9. Fr, Sa, Mo 20 Uhr, So 18 Uhr | Landschaftspark Duisburg-Meiderich | 0234 97 48 33 00
„aCORdo“ | 13.-15.9. Fr 18, 20.30 Uhr, Sa 16.30, 19 Uhr, So 14, 19 Uhr | PACT Zollverein Essen | 0234 97 48 33 00
„Chapter 3“ | 26.-29.9. je 20 Uhr | Jahrhunderthalle Bochum | 0234 97 48 33 00
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