Eben noch war Europawahl, da dräut den vermeintlichen Gewinnern am Horizont schon wieder die Ruhrtriennale – wenn sie denn alle wissen, was „dräut“ bedeutet. Aber das kann ja vielleicht mal auf der Tanzfläche bei den Partynächten „Down the Rabbit Hole“ – genau, da geht es um Kaninchenbauten – im Festivalzentrum Wunderland hinter der Bochumer Jahrhunderthalle geklärt werden.
Los geht das Festival mit Sandra Hüller – den Bochumer Theatergänger:innen wohlbekannt – und Polly Jean Harvey, die leider nicht alle im ausverkauften Zuschauer:innenraum kennen dürften. Neuintendant Ivo Van Hove eröffnet mit „I Want Absolute Beauty“ seine Ruhrtriennale 2024. Das Kollektiv (La)Horde (die künstlerische Leitung des Ballet National de Marseille) choreografiert, Sandra Hüller intoniert die Songs von PJ Harvey. Eine kunstvolle Jagd durch emotionale Sphären dürfte das werden, während draußen vor der ehemaligen Gebläsemaschinenhalle des Bochumer Vereins die Kartenlosen zur Turbinenhalle pilgern können, um sich dort die begehbare Installation „City of refuge IV“ der belgischen Künstlerin Berlinde de Bruyckere über die Dualität der menschlichen Natur anzuschauen. Rennen wie im namensgebenden Blues von Blind Willie Johnson müssen sie dafür nicht, die schützende Halle ist nah.
Einer der bekanntesten, noch lebenden russischen Kritiker von Putin ist der Theaterstar Kirill Serebrennikov, der während der Ruhrtriennale von Sergey Paradjanov erzählt, einem im Westen nahezu unbekannten Filmregisseur (siehe auch Lady Gagas Granatapfel-Video von „911“), dessen Zitat, „Ich werde mich mit Liebe an der Welt rächen“, die Uraufführung poetisch überstrahlt. Für mich die wichtigste Produktion in diesem Jahr.
Ab Mitte August versuchen 33 Produktionen und Projekte in 138 Veranstaltungen in Bochum, Duisburg und Essen die letzten Generationen der Kulturinteressierten zu bewegen. Weit über 600 Künstler:innen aus 37 Ländern kommen dafür ins Ruhrgebiet, einer kommt gar von hier und ist weltweit bekannt. Aus einer alten französischen Boulevard-Kamelle von Eugène Labiche machen die zwei Herberte, nämlich Grönemeyer (Musik) und Fritsch (Regie) die musikalische, leicht frivole, aber ziemlich sicher anarchische Verwechslungskomödie „Pferd frisst Hut“. Die Deutsche Erstaufführung im September dürfte allerdings auch für militante Tierschützer:innen keine Provokation werden.
Ruhrtriennale 2024 | 16.8. - 15.9. | div. Orte in Bochum, Duisburg und Essen | 0221 28 02 10
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