Da stehen sie nun. Mehr tot als lebendig. Werfen Schlagschatten, statt am Himmel ihre Kreise zu ziehen. „Desert Birds“ (Kehrer). Flugzeuge im gleißenden Sonnenlicht. Abgestellt, ausrangiert, mitten in der Wüste. Ein Elefantenfriedhof. Oder doch nur eine Wartehalde? Viel Hoffnung, dass sich auch nur eines dieser Flugobjekte noch einmal in die Lüfte schwingen würde, besteht nicht. Zu hart sind die Konturen, zu klar die Kontraste in Werner Bartschs surreal-realen Fotografien dieses obskuren Luftraumbahnhofs. Endstation: Sehnsucht. Der ewige Traum vom Fliegen auf dem Abstellgleis. Gestrandete Himmelsstürmer. Irgendwo im Nirgendwo. / Wie die „Texas Bohemia (revisited)“ (Trikont, cd+dvd). Auf der Suche nach dem gelobten Land. Verschollen hinter den sieben Bergen. Mehr greise denn weise bespielt hier eine deutsch-tschechische Auswanderergeneration ihr erobertes Fleckchen mit musikalischen Erinnerungen, eine bisweilen geradezu karnevaleske Country-Polka, intoniert in spartanischen Tanzhallen und auf skurrilen Festumzügen. „Krasna Amerika“, trefflicher könnte der Titel von Peter Schuberts Dokumentarfilm (feat. Thomas Meinecke) zu diesem Soundtrack-Portrait einer so grotesken wie liebenswerten Hillbilly-Gesellschaft nicht gewählt sein.
„Places, strange and quiet“ (HatjeCantz): Über die Jahre hinweg hat auch Wim Wenders einem fotografischen Reisetagebuch gleich Landschafts- und Gebäudeaufnahmen zusammengetragenen, „die sonderbar ruhig oder auf eine ruhige Art sonderbar sind.“ Menschenleere Zeugnisse einer Vergangenheit, ferner Träume, längst versiegt und doch immer noch geradezu poetisch über den aus nur vermutbaren Gründen verlassenen Stillleben schwebend. / „Also, wenn Sie mich fragen, Inspektor – gestern Nacht hat der Herrgott Longtown aus irgendeinem Grund vergessen, und Satan, verflucht soll er sein, konnte nach Belieben schalten und walten.“ In Javier Marquez Sanchez' passionierter Horrorklamotte, einem Schauerroman, wie er im Filme steht, scheint der Fall klarer zu liegen: Oder wie anders sollte der ungeheuerliche Massenmord der Eltern durch ihre Kinder sowie deren anschließende Selbstverbrennung auf einem Scheiterhaufen erklärbar sein. Ein ganzes Dorf, einfach ausgelöscht. Auf köstliche Weise delektiert sich „Das Fest des Monsieur Orphée“ (Walde&Graf) an der in den 50er Jahren aufkeimenden Popkultur und dem Gruselfilm im Speziellen als Teufelswerk. Ein genialer postmoderner Joke (very british); da darf natürlich auch Boris Karloff in einer Gastrolle nicht fehlen.
Aber wie heißt es so schön: Gestorben wird immer respektive „I’ll never get out of this world alive“ (Blessing)! Allein der Weg dorthin ist bisweilen etwas verworren. Wer könnte das besser wissen als ein Country-Barde von der „wrong side of the road“. So schlägt sich Steve Earles Protagonist, ein drogenabhängiger Abtreibungsarzt, nicht nur mit seiner Sucht herum, sondern auch mit dem zeckigen Gespenst des Übervaters der amerikanischen Folkmusic, Hank Williams, dessen höllische Rückenschmerzen Doc dereinst mit Morphiumspritzen bekämpfte. Eine romantische Liebeserklärung an das Leben, bei der ein wundersames Nahuatl-Mädchen seine Finger im Spiel hat. / Weit weniger zierlich nimmt sich hingegen die Wuchtbrumme Blueberry aus, die als hedonistischer Gegenentwurf ihren in strenger Askese dem Lebensabend zustrebenden Vater in eine verwegene Symbiose mit einem alten Traktor treibt. Aber ein Körper ist keine Maschine, und so wird es auch in Josh Weils Motorlove-Novelle „Das neue Tal“ (Dumont) irgendwann Zeit, sich auf die Reise zu machen. / Rest in Peace! Vielleicht sollte man sich in einer „ausgebrannten“ Welt früher mit diesem Gedanken beschäftigen und rechtzeitig von dem über menschliche Gleise bretternden Multitasking-Hochgeschwindigkeitszug abspringen. Annie Proulx jedenfalls hat ihre Ruhe gefunden, sich „Ein Haus in der Wildnis“ (Luchterhand) errichtet, um der Ursprünglichkeit von Fauna & Flora, Mensch & Natur und nicht zuletzt ihres eigenen Lebens zu frönen. Da erhält der Begriff Friedhof eine viel lebendigere Bedeutung.
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