Dortmund, 17. Januar - Flankierend zur „New Industries Konferenz: Geld und Schulden in der postindustriellen Welt“ des HMKV präsentierte das Kino im U den perfekten Film für Dortmund: Losers and Winners. Ulrike Franke und Michael Loeken dokumentieren darin die surreal anmutende Demontage der modernsten Kokerei der Welt. Der Dortmunder „Kaiserstuhl“ wurde 2006 in China wieder in Betrieb genommen. Vor zehn Jahren begann der Dreh, erzählt Franke im Filmgespräch, damals zunächst auf eigene Kappe, weil kein Förderer die Tragweite des Projekts erkannte. Franke sieht das heute als Glücksfall: Unbekümmert und ohne großes Ziel habe man mit kleinem Team Hunderte von Stunden auf der Baustelle verbracht. Resultat ist ein filmisches Geschenk mit Witz, Tragik und einer großen Nähe sowohl zu den chinesischen, als auch den deutschen Arbeitern, auf die nur noch die Vorruhestands-Arbeitslosigkeit wartete. In Anbetracht der aktuellen Debatte rund um das unprofitable Stahlwerk in Brasilien reiht sich Kaiserstuhl ein in die grandiosen Management-Fehler bei ThyssenKrupp, und der Film hat nichts, so ist man sich im Publikum einig, von seiner Aktualität eingebüßt.
Rührend war die spontane Rückmeldung einer älteren Dame, die sich als Ehrenamtliche des Hoesch-Museum vorstellt und erzählt, sie habe den Film bereits 7 Mal gesehen, um dann ihre Lieblingsszenen zu zitieren. Filmemacherin Ulrike Franke kommt gebürtig aus Dortmund, groß geworden sei sie in einem Schrebergarten neben der Kokerei. So ist sie nicht als Außenstehende den deutschen Kollegen auf Kaiserstuhl begegnet. Hautnah erlebt man im Kino, wie ein Teil deren Identität auseinander gebaut wird und sie ohnmächtig dabei assistieren müssen. Zuschauer, die in der Nähe der Kokerei wohnen und den Abbau selbst miterlebt hatten, schildern, wie abgeblockt die chinesischen Arbeiter von der Bevölkerung waren. Und so wird das große Verdienst des Films darin gesehen, wie komplex auch die Sehnsüchte, Sorgen und Träume der chinesischen Arbeiter in dem Film erzählt werden. Ohne chinesisch zu verstehen, hatten die Filmemacher über weite Strecken die Kamera laufen lassen und zum Teil erst im Schneideraum mit Übersetzern verstanden, wie schlitzohrig auch über sie und die anderen „alten Ausländer“ gesprochen wurde.
Während des langen Drehs habe man einfach mit denjenigen Arbeitern engen Kontakt gepflegt, die auch auf die Filmemacher neugierig gewesen seien. Als die Protagonisten damals erstmals von dem Titel des Films erfuhren, wollten sie eigentlich schon nicht mehr zur Premiere kommen, erinnert sich Franke. „Dann sind wir also mal wieder die Loser.“ Für die Filmemacherin sei es der schönste Moment des Filmprojekts gewesen, als der Arbeiter Rainer Kruska nach der Uraufführung feststellte, er möchte sich als erstes bei seinen chinesischen Kollegen entschuldigen. Die Arbeiter sitzen schlussendlich im selben Boot, meint Franke.
Seit fünf Jahren verfolgen Loeken und Franke in ihrem neuen Film-Projekt „Göttliche Lage“ die Entstehung des Phoenix-See in Hörde. „Wir wollten mal was drehen, was aufgebaut wird und nicht nur verschwindet.“
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