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Durch Privatisierung könnte schnell auch die Wasserqualität leiden
Foto: Mira Moroz

„Akute Gesundheitsgefahren bestehen nicht“

28. März 2013

Markus Rüdel über die Wasserqualität der Ruhr und mögliche weitere Gefährdungen – Thema 04/13 Unser Wasser

trailer: Herr Rüdel, das Wasser in der Ruhr ist sauber?
Markus Rüdel: Die Ruhr ist so sauber wie seit 150 Jahren nicht mehr. Durch die Industrialisierung in den 1850er bis 1910er Jahren wurde so viel Wasser entnommen und gleichzeitig Abwasser eingeleitet, dass der Fluss nur noch einem dreckigen, stinkenden Rinnsal glich. Vor genau hundert Jahren, 1913, wurde der Ruhrverband gegründet. Damals gab es zwei Ziele. Die Ruhr sollte immer genug Wasser führen, sodass alle Menschen der Region versorgt werden konnten. Und die Ruhr sollte sauberer werden. In einem ersten Schritt wurden Talsperren errichtet, die das Wasser im Winter speichern. Weiterhin wurden Abwasserreinigungsanlagen gebaut, die über die Jahrzehnte hinweg immer wieder an die aktuellen Anforderungen angepasst wurden.

Trotzdem ist die Ruhr in den letzten Jahren nicht aus den Schlagzeilen gekommen.

​Markus Rüdel
Foto: Ruhrverband
Markus Rüdel (47) ist Pressesprecher des Ruhrverbandes in Essen.

Es gab diesen PFT-Skandal. In diesem Zusammenhang wurden auch andere Mikroverunreinigungen diskutiert. Vor kurzer Zeit wurde von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln berichtet. Wir haben es der verbesserten Analysetechnik zu verdanken, dass wir all diese Stoffe überhaupt nachweisen können. In unseren Laboren können wir Reststoffe im Nano- und Piktogramm-Bereich finden. Wenn Sie ein Stück Würfelzucker im Bodensee versenken, dann sind wir in der Lage, dieses Stückchen Zucker nachzuweisen. Inzwischen können wir Medikamentenrückstände im Trinkwasser finden. Das spielt sich im Bereich von etwa 25 Nanogramm pro Liter ab. Wenn Sie eine normale Tagesdosis zum Beispiel von Carbamazepin mit dem Trinkwasser zu sich nehmen wollten, müssten Sie ein Leben lang täglich 700 Liter Wasser trinken.

Die Aufregung der letzten Jahre war Hysterie?
Natürlich müssen wir uns fragen, ob die gefundenen Reststoffe Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben. Die Wissenschaft hat hier zu vielen Stoffen noch keine endgültige Antwort gefunden. Akute Gesundheitsgefahren bestehen nicht. Da sich manche Stoffe in der Umwelt anreichern, müssen wir Vorsorge für die nächsten Generationen treffen.

Was ist zu tun?
Die Techniken zur Wasseraufbereitung werden sich weiter verbessern. Noch wichtiger allerdings sind Maßnahmen, die verhindern, dass gefährliche Stoffe in die Ruhr gelangen. Muss man Arzneimittel nicht anders designen, damit nicht so viele Rückstände im Abwasser sind? Ähnliches gilt für Biozide. Allerdings ist die Ruhr hier im Vergleich zu anderen Flüssen in NRW gering belastet. Trotzdem bleibt die Frage, ob Biozide in diesen Mengen überhaupt in der Landwirtschaft eingesetzt werden müssen. Hier stellen unter anderem die Tannenbaumkulturen im Sauerland ein Problem dar. Brauchen wir den symmetrisch gewachsenen Weihnachtsbaum oder geht nicht auch ein Biobaum?

Aber beim PFT-Skandal ging es doch nicht nur um die alltägliche Umweltvergiftung, sondern um kriminelle Handlungen?
Das ist richtig. In einem Bodenaufbereitungswerk im Paderborner Raum wurde PFT-haltiger Klärschlamm mit Kompost vermischt und an Bauern verkauft. Das ist Gegenstand eines laufenden Gerichtsprozesses. Deshalb kann man noch nicht sagen, ob und wer dort letztendlich gegen Gesetze verstoßen hat. Der Kompost wurde dann auf die Felder verteilt und durch Regenwasser in die Möhne und in die Ruhr geschwemmt.

Die Gefahr ist gebannt?
Ja. Neben das Feld, das am stärksten belastet war, hat man eine Reinigungsanlage gebaut. Dadurch sind Möhne und Möhnetalsperre wieder auf einem niedrigen PFT-Wert. Die Menge an PFT im Trinkwasser ist absolut unschädlich.

Und in der Zukunft drohen keine neuen Gefahren für unser Trinkwasser?
Da die chemische Industrie ständig neue Stoffe auf den Markt bringt, werden wir vermutlich diese Stoffe auch in unserer Umwelt nachweisen können. Schwer abbaubare Stoffe dürften eigentlich gar nicht in die Umwelt gelangen. Man sollte den Fokus viel stärker auf das Verursacherprinzip legen. Die sehr aufwändigen Aufbereitungsverfahren, die nötig sind, um diese Stoffe wieder aus dem Wasser herauszubekommen, zahlt ja letztlich der Bürger. Skeptisch sehe ich auch die Pläne, mit Fracking Erdgas abzubauen. Die Bundesregierung will Fracking nur in Wasserschutzgebieten verbieten. Diese Eingrenzung ist nicht ausreichend, um die Ressource Wasser nachhaltig zu schützen. Nur rund zehn Prozent des Einzugsgebietes der Ruhr sind als Wasserschutzgebiet deklariert.

Wie sehen Sie die Zukunft der Wasserversorgung? In Brüssel möchte man ja mehr Wettbewerb.
Die Konzessionsrichtlinie von der Europäischen Kommission, die nun vorliegt, kann gerade bei Neuausschreibungen von Trinkwassernetzen der Privatisierung Vorschub leisten. Das Trinkwasser ist aber ein Teil der Daseinsvorsorge und existenziell notwendig für die Menschen. Zudem ist es immer ein Monopolgeschäft. In einer Stadt können Sie nur eine Trinkwasserversorgung und eine Abwasserentsorgung anbieten. Alles andere wäre volkswirtschaftlich unsinnig. Deshalb ist es sinnvoll, die Wasserversorgung in der öffentlichen Hand zu belassen. Einen Wettbewerb, der Preise regulieren könnte, gibt es in diesem Sektor nicht.

Geht es denn nur um die Preise?
Nein, die Versorgungssicherheit ist noch wichtiger. Wenn Sie morgens aufwachen, und Sie haben kein Wasser, haben Sie ein Problem. Und wenn Sie mehrere Tage hintereinander kein Wasser haben, haben Sie ein sehr großes Problem. Dann können die Abwässer nicht mehr abtransportiert werden und es kommt zu hygienischen Missständen.

Interview: Lutz Debus

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