Bochum, 25. April - Journalist und Filmemacher Martin Gerner war bereits seit mehreren Wochen auf „Tournee“ mit seinem Film „Generation Kunduz“, als er in das Studentenkino der Uni Bochum kam. Zuvor hatte er auch unter anderem die Dokumentation vor Afghanistan-Soldaten vorgeführt und durfte dabei ein positives Feedback verbuchen. Der Hörsaal 20 der Ruhr-Uni Bochum, der zweimal in der Woche zu einem Kinosaal umfunktioniert wird, war mit Studenten, Dozenten und Interessierten gut gefüllt, die dem einleitenden Vortrag Gerners über die Berichterstattung in Afghanistan aufmerksam und vielleicht auch ein wenig verwundert folgten. Denn laut Gerner ist der Informationsfluss aus dem Land recht dürftig. Deutsche Journalisten, die von dort berichten, hielten sich zu kurz und zu wenig intensiv in Afghanistan auf. Kontakt zu der afghanischen Gesellschaft fände kaum statt. Auch ein Netzwerk unter den Journalisten sei noch lange nicht aufgebaut worden. Und das seit beinahe zehn Jahren nicht. Vieles, was in den Medien berichtet werden würde, sei daher häufig klischeebehaftet und gehe auf die wirklichen Probleme des Landes im besten Falle oberflächlich ein, so Gerner. Die hier in Deutschland heiß diskutierte Burka-Frage, an der wir oftmals den Fortschritt eines Landes festmachen zu wollen scheinen, sei nur eine von vielen Fragen, die die afghanische Gesellschaft in ihrem Prozess der Veränderung beschäftige.
Es sei bedauerlich, dass die Kultur Afghanistans in der Presse und in der Wissenschaft so wenig dargestellt werde. Am Orientalischen Seminar in Köln beispielsweise reiche das gründlich erforschte Wissen über Afghanistan lediglich bis 1975. In Feuilletons seien Beiträge von iranischen Intellektuellen keine Seltenheit, von Afghanischen dagegen durchaus. Martin Gerner hat es sich mit seinem Film zur Aufgabe gemacht, diese Wissenslücke wenigstens im Ansatz zu schließen. Er hat eine Dokumentation über die afghanische Gesellschaft vor Ort gedreht, ohne dabei vom Militär begleitet zu werden.
In seinem Film porträtiert Gerner das Leben von fünf Afghanen, die sich in Zeiten des Umbruchs positionieren. Sie offenbaren ihre Hoffnungen, politisch-gesellschaftlich sowie privat, ihre Kriegserlebnisse und ihre Bemühungen zwischen Frieden und Krieg. Der Film hinterließ bleibenden Eindruck, sodass es im Anschluss an Martin Gerner Fragen über die afghanische Mentalität, den Demokratisierungsprozess und die Rezeption seiner Doku gab. Auch in der Diskussion verwies Gerner auf die häufig einseitige Berichterstattung der Medien, die noch immer zu einem „West¬-Rest der Welt“-Blickwinkel tendierten und die Demokratiebewegung des afghanischen Volkes außerhalb der vom Westen initiierten Demokratisierung nicht zu würdigen wüssten. Veränderungen in Afghanistan seien gewiss langsam, auch bezüglich der Stellung der Frau, aber sie seien vorhanden und er, Martin Gerner, sei sich sicher, dass sich in Afghanistan noch viel verändern werde.
Ein wichtiger Punkt innerhalb dieses Prozesses sei natürlich auch der enorme Unterschied von Stadt und Land. Viele Afghanen ziehe es aufgrund besserer Bildungschancen in die Stadt, was für eine gewisse Dynamik sorge. Der Film selbst habe in Afghanistan wenig Aufmerksamkeit erhalten. In den dortigen Kinos liefen vielmehr Bollywood-Filme, Dokumentarfilme nähmen eine sehr kleine Nische ein. Hierzulande ist der Film gut angekommen. Es bleibt zu hoffen, dass er es schafft, einen dauerhaften Beitrag zu einer veränderten Wahrnehmung Afghanistans zu leisten.
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