Bochum, den 23.1.: 21 Jahre lang war das Internationale Videofestival eine beliebte Institution an der Ruhr-Universität Bochum. Als das Festival 2012 ausfiel und danach alle Wiederbelebungsversuche im Sande verliefen, war die Enttäuschung groß. Auch das 50-jährige Jubiläum des Studienkreis Film (SKF) konnte 2017 nicht gebührend gefeiert werden. Der Kinobetrieb eines der ältesten, studentischen Filmclubs Deutschlands wird mit zwei Vorstellungen pro Woche im HZO 20 aber weiter von Ehrenamtlichen gestemmt. 2018 kündigt sich mit der ersten Ausgabe des Kurzfilmfestivals „Linse“ im Kinosaal des SKF aber neue Aktivität in Sachen Film an der RUB an. Geht da wieder was in Bochum?
Im HZO 20 ist am letzten von zwei Festivaltagen ordentlich Betrieb. Draußen wird Bier verkauft, im Saal stehen Couchen und Sessel für die Filmdiskussion bereit. Mit nur einem Dreivierteljahr Vorlauf hat ein studentisches, ehrenamtliches Team das neue Festival auf die Beine gestellt, hervorgegangen aus einem Projektplanungs-Seminar der Uni. Das ist wenig Zeit für Gründung, Konzeption, Finanzierung, Planung, Filmsichtung, Auswahl eines Programms und Einladung der FilmemacherInnen und Juroren.
Das Programm ist daher bei der ersten Ausgabe noch überschaubar. Es besteht aus einer Auswahl an Filmen von dem kooperierenden blicke-Filmfestival des Ruhrgebiets und einer internationalen Perspektive mit spanischen und lateinamerikanischen Beiträgen. Im Wettbewerb konkurrieren 14 Kurzfilme um drei jeweils mit 200 Euro dotierte Preise. Vom Musikvideo über die klassische Talking Heads-Doku bis zu Animationen, Found Footage-Kompilationen und klassisch narrativen Kurzfilmen sind verschiedene Formate, Ästhetiken und Themen vertreten.
Rund 50 Nachwuchsfilme wurden eingereicht, wie Simon Esser mir zwischen zwei Programmblöcken erzählt. Der Student der Medienwissenschaften ist neben Anna-Maria K. der einzige Gründer, der noch aus der Anfangsphase mit dabei ist. „Eigentlich wollten wir vor allem lokale FilmemacherInnen aus Bochum oder Dortmund. Jetzt haben wir doch Beiträge aus ganz Deutschland“, so Simon.
Im Anschluss an jeden Block finden Filmgespräche statt. RegisseurInnen, JurorInnen und ein Publikum, das gern in Dialog mit den MacherInnen auf der Bühne tritt, diskutieren. Da werden Anleihen bei Jean-Luc Godard erörtert, unnötige Erzählstränge bemängelt oder schneckenhäusliche Gewalt in eine Animation über eben jenes Kriechtier interpretiert. Besonders kontrovers besprochen wird Christoph Kopals kleine Farce „Barrierefreies Daten“. Der selbst gehörlose Regisseur spitzt darin eine Datingsituation zwischen einer gehörlosen Frau, ihrem Date und dem nötigen Gebärdendolmetscher derart zu, dass es für einige ZuschauerInnen lächerlich wirkt. Andere sehen die Problematik für Menschen, die nicht von Gehörlosigkeit betroffen sind, nur in dieser Überspitzung auf den Punkt gebracht. Leidenschaftlichen Streit über Film zu forcieren ist ein erklärtes Anliegen von Simon Esser: „Zuhause mag die Heimkino-Technik immer besser werden, aber streiten kann man viel besser beim gemeinsamen Erleben. Vielleicht liegt die Zukunft des Kinosaals auch im Streit“.
Von hitzigen Debatten um den Gewinnerfilm berichtet auch die Wettbewerbs-Jury bei der Preisverleihung am Ende des Festivals. Judith Paland, Lucas Frye, Felix Hasebrink, Dennis Kleinbeck und Martin Schlesinger haben sich letztlich auf Angela Schusters „Zmij“ einigen können. Aus kindlicher Perspektive verknüpft der Schwarz-Weiß-Film die Sage um einen Drachen mit der Geschichte der sorbischen Minderheit in der Lausitz 1938.
Den Kreativpreis der FestivalmacherInnen ging an „C U next Time“ von Hoang Quynh Nguyen. Die Regisseurin verarbeitet darin den Abschied aus Rostock, wo sie aufgewachsen ist, kurz vor ihrem Umzug nach Berlin. Momentaufnahmen einer Heimat und Reflexionen über den Unterschied zwischen Zurückkommen und dem niemals Fortgegangen sein. Das Publikum entschied sich mit Stephan Dorns „Don't Stop“ für einen experimentierfreudigen Film, der Alltagsgegenstände eine Choreographie zu stampfenden Beats vollführen lässt.
Wie und ob es nach dem gelungenen Start im nächsten Jahr weitergehen wird, ist bisher unklar. Simon Esser ist aber optimistisch und hat bereits konkrete Wünsche für die Zukunft des Festivals und das Medium Film an der RUB. „Die Bochumer Medienwissenschaft ist auf Theorie ausgerichtet. Mit dem Festival wollen wir auch die Medienpraxis an der RUB fördern und die verschiedenen AkteurInnen vernetzen“, erklärt er. Die Medien- und KinomacherInnen auf dem Campus wie TV RUB, Kommando Kino (Initiative des Instituts für Medienwissenschaft) und nicht zuletzt den Studienkreis Film dürfte diese Entwicklung freuen.
Offizielle Festivalseite: linse-festival.de
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