Den Anfang machten Konstanz und Heidelberg, es folgen Münster, Köln, Berlin, München und viele mehr. 70 Städte und Gemeinden haben im vergangenen Jahr den Klimanotstand ausgerufen. Ein Bekenntnis, das bekräftigen sollte, „dass die Eindämmung des Klimawandels in der städtischen Politik eine hohe Priorität besitzt und zukünftig bei allen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten ist“, wie der Rat Köln schreibt.
Gemessen am Umgang mit dem Grüngürtel seien das nur Lippenbekenntnisse, so Friedmund Skorzenski, Vorstandssprecher der Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle“. Der Stadtrat hat trotz des Klimanotstands im Juni den Plänen des 1. FC Köln zugestimmt, eine 36.000 m2 große Wiese in der Nähe des Decksteiner Weihers im Zuge eines Bauvorhabens zu versiegeln.
Die unter Landschafts- und Denkmalschutz stehende Wiese soll für mehrere Kunstrasenplätze, Toiletten sowie Umkleide- und Besprechungsräume, alles umzäunt und durch 18 Flutlichtmasten beleuchtet, geopfert werden. Zudem muss das ganze 1,5 m über dem natürlichen Boden gebaut werden, weil unter der Erde ein archäologischer Schatz, nämlich 5000 Jahre alte Steinkeramik der Etrusker, liegt, der nicht beschädigt werden darf.
Durch den Bau würde nicht nur der Lebensraum sämtlicher Tiere zerstört, die Versiegelung der großen Wiese sei auch schädlich für das städtische Klima, weil eine wichtige Frischluftschneise unterbrochen würde, erklärt Skorzenski: „Wenn man morgens hier hinkommt, kann man den Dunst und die Morgenkühle sehen, die dann in die Stadt reinzieht.“ Das ist nicht das einzige Argument: „Der Stadtrat ist drauf und dran, hier öffentlichen Raum zu privatisieren“ – einen Zufluchtsort im Grünen, an dem sich täglich zahlreiche Menschen erholen. Zudem steht der Grüngürtel unter Landschaftsschutz. Seine Aufhebung für ein gewinnorientiertes Unternehmen findet Skorzenski inakzeptabel.
Privatisierung von öffentlichem Raum
Man mag annehmen, dass die Stadt durch die Verpachtung der Fläche eine satte Summe verdient, aber weit gefehlt: „Die Stadt bekommt da so gut wie nichts für, weil der FC ja offiziell ein Verein ist und damit als gemeinnützig gilt“. Aufs Jahr gerechnet müsste der FC weniger als 5.000 Euro bezahlen, ein lächerlicher Preis für ein so riesiges Unternehmen, findet Skorzenski.
Der FC argumentiert, die neuen Plätze seien auch für den Breitensport gedacht. Für Skorzenski ist das unglaubwürdig: „Die sagen zwar, hier könnten dann alle Kölner Kinder trainieren, aber das ist Quatsch. Um hier dann tatsächlich spielen zu dürfen, müsste man entweder gecastet worden sein oder man müsste sich im Vorfeld bei der Stadt anmelden.“
Trotzdem betont Skorzenski, dass die Initiative „Grüngürtel für alle“ dem FC nicht feindlich gegenübersteht: „Bei uns gibt es sogar viele FC-Freunde!“. Man habe eine alternative Fläche gesucht und gefunden. Sie befindet sich in Köln-Marsdorf, nur etwa drei Kilometer von der strittigen Wiese entfernt: „Da könnte ab sofort gebaut werden“, sagt er, aber der FC lehne das ab: „Die rühren sich leider keinen Millimeter“.
Skorzenski und seine Mitstreiter:innen sind nicht frustriert: „Wir sind keine Berufsdemonstranten. Uns geht es hier wirklich um die Sache. Und wir glauben, dass hier Recht gebrochen wird, weil vieles nicht berücksichtigt wurde.“ Die Bürgerinitiative will den Beschluss vom Oberlandesgericht in Münster prüfen lassen. Bis genügend Geld für die Klage gesammelt ist, soll eine einstweilige Verfügung den Baubeginn vorerst, und wenn es nach den Rettern des Grüngürtels geht, auch ein für alle Mal stoppen.
Aktiv im Thema
www.nabu.de | Der Naturschutzbund Deutschland ist eine der ältesten Organisationen dieser Art.
naturschutz.ruhr | Die Naturschützer aus Mülheim führen an die Naturvielfalt an der Ruhr heran.
www.stiftung-pro-artenvielfalt.org | Die Stiftung aus Bielefeld widmet sich dem Schutz bedrohter Wildtierarten.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wahl statt egal
Intro – Mein Freund der Baum
Systemstörungen gegen das Artensterben
Extinction Rebellion gegen Klima-Kollaps und Wachstumswahnsinn
Es muss Wahlkampfthema werden
„Osterholz Bleibt“ will Abholzung verhindern
„Kreative Reduktion als Gestaltungsprinzip“
Ökonom Niko Paech über die Abkehr vom Wachstumsgedanken
„Mit offenen Augen durch den Wald gehen“
Forstwissenschaftler über Wälder und Klimawandel
„Die Zeit reicht für Anpassung nicht aus“
Umweltforscher über Klimawandel und Artensterben
Bienenretten war gestern
Bayerns Artenvielfalt-Gesetz: innovativ oder schlüpfrig?
Kapitalismus-Greenwashing
Der Markt hat‘s kaputt gemacht, der Markt soll’s richten
Wildnis im Kleinen
Mit Unordnung gegen das Artensterben
Agrarpolitik für den Artenschutz
Profit plus Biodiversität? Innovationen in der Landwirtschaft kommen aus GB – Europa-Vorbild: Großbritannien
Von Bäumen und Bräuten
Der moralische Wankelmut der Menschen – Glosse
Immer in Bewegung
Teil 1: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Jenseits der Frauenrolle
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Europa verstehen
Teil 1: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Korallensterben hautnah
Teil 1: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Was keiner haben will
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Wasser für Generationen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Orientierung im Hilfesystem
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Hilfe nach dem Schock
Teil 2: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 3: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 1: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Forschung muss nicht quälen
Teil 2: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche