Das Leben als Frau birgt schon so manche Herausforderungen: Wir erwarten, dass sie gut aussieht und aufgrund des guten Aussehens natürlich sehr selbstbewusst ist. Zu selbstbewusst sollte sie dann allerdings auch nicht sein, sonst könnten potentielle Dating- und Eventuellehepartner, die selbstverständlich zu einem Frauenleben dazugehören, abschgeschreckt werden. Sie muss einen tollen Job haben, der ihr Freude bringt, in dem sie glücklich und zufrieden vollkommen aufgeht. Neben dem Job verbringt sie viel Zeit im Fitnessstudio, hat ein interessantes Hobby, kocht dauernd für Freunde, wohnt selbstverständlich in einer immer sauberen Wohnung und kleidet sich untadelig feminin.
Diese Liste lässt sich bis zur Absurdität weiterführen. Man mag jetzt denken, das sei alles sehr oberflächlich betrachtet, aber insgeheim hat jede Frau schon einmal diesen Druck verspürt. Aber es kommt buchstäblich noch dicker: Hat Frau nämlich den Richtigen gefunden, muss sie Kinder wollen und auch bekommen. Und das bitte pronto. Und dann geht es erst richtig los. Denn die Erwartungen an Frauen als Mütter sind ungleich höher.
Und in eben diese Mutterfalle bin ich selbst getappt. Noch während der Schwangerschaft habe ich mir mein Leben als Mutter detailliert ausgemalt: Absolute Perfektion. Ich wäre die Ruhe selbst, immer hübsch und lächelnd, mit einem Kind das selbstverständlich ausschließlich lieb und süß ist. Ich würde nur gesunde Bioprodukte kochen, nur pädagogisch wertvolles Spielzeug anschaffen und mindestens einen vierstündigen Spaziergang am Tag mit Freude absolvieren. Mein Kind wäre immer adrett, immer sauber und immer glücklich. Zu jeder Gelegenheit würde ich mit aufwändig selbstgebackenen Kuchen aufwarten, Kindergeburtstage zu einem überragenden Event machen. Und all das garniert mit einem Quäntchen Mary Poppins.
So weit, so gut. Die Realität holte mich dann in Form meines kleinen Sohnes ein. Als ich des Nächtens schlaftrunken mit einem vor Bauchschmerzen schreienden Säugling in meiner chaotischen Küche saß, vermutete ich das erste Mal, dass ich mich wohl etwas verschätzt hatte. Als ich dann während des Babyturnens, statt glücklich Lieder singend und Kind schwenkend im Kreis zu tanzen, ein unfreiwilliges Nickerchen neben meinem Sohn im Bällebecken hielt, war es Gewissheit die mir zuflüsterte: Du hast Dich da etwas vertan.
Auch mit Ruhe und Ausgeglichenheit war es nicht so weit her, spätestens als ich mit einem tobenden Kind an der Kasse im Supermarkt den nicht erbetenen Rat einer älteren Dame „So einem ungezogenen Kind sollte man mal ordentlich den Hintern versohlen“ erhielt, zählte ich nicht mehr innerlich langsam bis 21, sondern malte mir verschiedene mittelalterlichen Foltermethoden für die Dame aus.
Wenn das Kind dann alt genug ist, um „Nein“ zu sagen, ist es mit der Perfektion vollends vorbei. Liebevoll gekochtes Gemüse und Desserts, die nicht zu 99% aus Schokolade bestehen, werden mit eben diesem kurzen Wort abgehakt. Während ich abends sowohl für meinen Sohn als auch für mich ein adrettes Outfit zurechtlege, wird dieses am nächsten Morgen ebenfalls mit Nein abgelehnt. Weil ich nach einer einstündigen Hetzjagd mit einem Kind, das nicht angezogen werden will, keine pädagogisch wertvolle Diskussion mehr moderieren kann, geht mein Sohn schon mal als Ritter in den Kindergarten.
Es ist also in den meisten Fällen in einem Mutterdasein keine Perfektion zu finden und in meinen Augen sollte frau das übersteigerte Mutterbild gar nicht erst betrachten. Man kann ihm einfach nicht gerecht werden. Perfektion liegt hier in anderen Dingen: Wenn sich abends ein noch etwas schmutziger, vielleicht schokoladenklebriger kleiner Ritter über die tanzenden Pinguine in Mary Poppins freut und leise sagt: „Ich hab Dich lieb Mami.“
Aktiv im Thema
retteeinekleinewuestenblume.de | Desert Flower Foundation von Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie
www.krankenhaus-waldfriede.de | Das Desert Flower Center bietet Frauen, die nach einer Genitalverstümmelung leiden, ganzheitliche medizinische Versorgung an
www.stop-mutilation.org | Gegen die Beschneidung von Mädchen in Europa und Afrika
www.frauenrechte.de | Terre de femmes
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Thema im April: WASSERSCHADEN – Von der Amöbe bis zum Quantenphysiker – Wasser ist Lebensgrundlage. Das Element als künftiger Kriegsgrund, philosophisch betrachtet und wie wir es schützen und nachhaltiger verwenden können.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kraftvolles Miteinander
„Andere Projekte mit Anderen.“ in der Aula der KHM – Foyer 12/17
Märchen oder Alternative?
Konsens statt Gewalt in matriarchalen Gesellschaften – THEMA 10/16 FRAUENRECHT
Hoch die Menstruationstassen!
Let`s talk about…Frauenrechte – Thema 10/16 Frauenrecht
„Frauen herrschen nicht“
Heide Göttner-Abendroth erforscht seit vierzig Jahren matriarchale Gesellschaften – Thema 10/16 Frauenrecht
Marx und Minirock
Mina Ahadi am 21.9. zum Thema Frauenrechte und Islam im Bahnhof Langendreer – Spezial 09/16
Gewalt kennt keine Farbe
Diskussion zu „Rassismus und Sexismus: Intervention“ im Bahnhof Langendreer am 6.4.
Schmerz und Leid sind unvorstellbar
Die archaische Tradition ist ein Verbrechen – THEMA 03/16 FRAUENLEBEN
„Alle elf Sekunden wird weltweit ein Mädchen an den Genitalien beschnitten“
Dr. Cornelia Strunz vom Desert Flower Center Berlin – Thema 03/16 Frauenleben
Feminismus und Popkultur
Kerstin Grether am 6.2. in der Goldkante – Literatur 02/16
Die Verbrechen der Freunde
Die Aufdeckung der Massenvergewaltigungen des 2. Weltkrieges verändert unser Geschichtsbild – Textwelten 06/15
Widersprüche aushalten
Diskussion zu „Antifeminismus“ mit Anne Wizorek und Stefanie Lohaus im Bahnhof Langendreer am 21.5.
Utopien sind gut
Laurie Pennys feministisches Manifest „Unsagbare Dinge“ fordert mehr Gerechtigkeit für alle Geschlechter
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Werben fürs Sterben
Teil 1: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 1: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
Immer in Bewegung
Teil 1: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 2: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
Jenseits der Frauenrolle
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Spielglück ohne Glücksspiel
Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Wie gewohnt
Intro – Europa