Bahnstreik, kaum Werbung und das böse F-Wort – viele Interessierte ließen sich davon nicht abhalten und fanden den Weg zur Diskussion zum Thema „Antifeminismus – Wie intervenieren?“ mit Netzaktivistin Anne Wizorek und Journalistin Stefanie Lohaus teilzunehmen, die der Bahnhof Langendreer in Kooperation mit dem Blog „Feminismus im Pott“ organisierte.
Kristin Schwierz, im Bahnhof zuständig für politische Veranstaltungen, bedankte sich eingangs bei den Pottfeministinnen Maximiliane Brand und Laura Chlebos: „Hut ab vor eurem politischen Engagement und eurer Expertise“.
Mit Dr. Lisa Mense, seit 2008 an der Universität Duisburg-Essen Lehrbeauftragte am Institut für Optionale Studien mit dem Themenschwerpunkt Gender Studies, wurde den beiden Diskutantinnen eine akademische Stimme zur Moderation zur Seite gestellt. Viele der mehrheitlich weiblichen Besucherinnen dürften aber vor allem wegen Wizorek und Lohaus gekommen sein.
Lohaus ist Mitbegründerin und eine der Chefredakteurinnen des „Missy Magazine“ und Autorin des Buches „Papa kann auch stillen“. Die Netzaktivistin Anne Wizorek ist durch ihre 2013 initiierte Twitter-Kampagne #aufschrei als Feministin bekannt. Für ihre Sichtbarmachung von Erfahrungen mit Sexismus und sexueller Gewalt gegen Frauen erhielt #aufschrei als erster Hashtag den Grimme Online Awards.
Schon die Antworten auf die erste Frage von Lisa Mense, ob der Antifeminismus zugenommen habe, zeigte auf, wie komplex und differenziert das Thema ist.
Während Lohaus feststellte, dass sich antifeministische Tendenzen in den letzten Jahren deutlich verstärkt hätten, konstatierte Wizorek knackig „Seit es Feminismus gibt, gibt es auch Antifeminismus.“
Viele Teilaspekte wie weibliche Altersarmut, Frauenquote oder Lohnunterschiede kamen zur Sprache. Erfreulich, dass beim Gender Pay Gap ausnahmsweise nicht die plakativen 22% Lohnunterschied (branchenübergeifend errechnet) bemüht wurden, sondern Lohaus darauf hinwies, dass vor allem der hohe Prozentsatz von Frauen im Billiglohnsektor diskutiert werden müsse.
Was tun gegen Antifeminismus?
Auf die Frage nach den Titel gebenden Gegenstrategien zu persönlichen wie öffentlich-medialen Angriffen auf feministische Positionen, fanden beide unterschiedliche Antworten. Wizorek lässt ihre Mailaccounts und Twitterkommentare mittlerweile von Vertrauenspersonen vorsortieren. „Du kannst Dir noch so oft sagen, dass Du weder doof, noch hässlich, noch untervögelt bist. Aber es ständig zu lesen, macht auf Dauer irgendwas mit Dir.“
Lohaus riet, sich die eigenen Kräfte einzuteilen und das Maß der Überzeugungsarbeit im Alltag daran festzumachen, wie viel einem die Person bedeutet, mit der man streitet und nicht zu theoretisieren, sondern an die Empathie des Gegenübers zu appellieren.
Beide mahnten aber, Hasskommentare durchaus ernst zu nehmen. „Hatespeech-Kommentare sind das Hintergrundrauschen das uns aus dem Raum, den wir uns genommen haben, vertreiben soll“, so Wizorek. Patriarchale Machtstrukturen bestünden im Netz fort.
Jenseits persönlicher Angriffe plädierte Lohaus dafür, Gegenöffentlichkeit zu schaffen: „Wir müssen Machtansprüche stellen und die Feministinnen in den Medien stärken.“ Wizorek ergänzte: „Wenn wir Feministinnen die Macht, die uns immer unterstellt wird, wirklich hätten…wäre das ja sehr schön. Aber dann hätten wir die Probleme nicht.“
Den einen Feminismus gibt es nicht
Wizoreks Thesen kamen kurz und bündig, einer Netzaktivistin würdig und erinnerten in ihrer Kritik der neoliberalen Leistungsgesellschaft an Laurie Pennys Ansätze, die Feminismus mit Kapitalismuskritik verbinden. Lohaus antwortete mit der Kraft des langen Überzeugungsatems, der eher dem Printjournalismus entspricht.
Ihre diplomatische Art war auch in der Diskussion mit dem Publikum spürbar. Auf die Bitte, wie man den schwer ins Alltagsdeutsche übersetzbaren Begriff „gender“ veranschaulichen könne, schlug Lohaus vor, zunächst stereotype Vorstellungen zu entkräften. Mehr Rechte für Frauen oder LGBT-Menschen (Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) bedeute nicht, die Geschlechter aufzulösen und Kleinfamilien zu zerstören.
„Ich will aber Kleinfamilien zerstören!“, mischte sich Lisa Mense energisch ein und warb für ein wenig Mut, die Sprengkraft solcher Begriffe ebenso zuzulassen wie ein wenig Phantasie. „Es wird immer schwieriger, das Unbekannte zu denken, ich will ja nicht alle Bindungen auflösen, sondern ich wünsche mir einen neuen Familienbegriff!“
Diese unterschiedlichen Meinungen und Widersprüche auszuhalten, ist Aufgabe und Herausforderung heutiger Feministinnen, die nur so den Anforderungen einer zunehmend komplexeren Gesellschaft gerecht werden können. Ein Patenrezept gegen Antifeminismus mag es nicht geben, aber Offenheit, Streitlust und Selbstreflektion scheinen gute Instrumente zu sein.
Insgesamt hinterließ die Diskussion den Eindruck von starken Frauen, die ihre ganz eigenen Wege zum Feminismus gefunden haben. Sie machten Mut und wichtiger noch: Lust dazu, sich selbst noch mehr mit der Thematik zu befassen.
Eigene Vorurteile prüfen
Dass man selbst auch die eigenen Vorurteile prüfen sollte, zeigte die sichtlich steigende Anspannung, als ein typischer Geschäftsmann zum Mikrophon schritt, um die letzte Frage des Abends zu stellen. Mit allem dürften die ZuhörerInnen im Publikum und auf der Bühne gerechnet haben, nur vermutlich nicht damit:
„Ich bin ein Mann, der in einer Kleinfamilie lebt, und das auch noch in Bayern. Ich leite ein großes Bochumer Unternehmen, in dem 1.000 Frauen arbeiten und nur 30 Männer, die dafür im Management. Ich habe das Gefühl, dass in unserer Firma Sexismus herrscht und dass ihr das nicht gut tut. Was kann ich dagegen tun?“
Vorgeschlagen wurde ihm ein innerbetriebliches Sexismus-Training. „Das kann man dann auch subtil unter einem anderen Label laufen lassen, ich kann ihnen da gleich im persönlichen Gespräch noch ein paar Tipps geben“, versprach Lisa Mense augenzwinkernd. Und genau darum geht es: Miteinander ins Gespräch zu kommen.
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