Birdwatchers
Brasilien/ Italien 2008, Laufzeit: 108 Min.
Regie: Marco Bechis
Darsteller: Claudio Santamaria, Alicelia Batista Cabreira,Chiara Caselli, Abrisio Da Silvia Pedro, Eliane Juca da Silva, Poli Fernandez Souza, Leonardo Medeiros, Chiara Caselli
Ein indigener Stamm in Brasilien kämpft mit einer Landbesetzung für seine Rechte. Die Großgrundbesitzer wollen das nicht zulassen.
Die großartige Eingangssequenz zieht dem Zuschauer dezent den Boden unter den Füßen weg. In ähnlich unaufdringlicher Weise erzählt Marco Bechis im Folgenden von einem ebensolchen Verlust des Bodens. „Retomadas“ nennen die Guarani-Kaiowá ihren Kampf um ihr Land. Der indogene Stamm lebt im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul in Reservaten und kämpft immer wieder für seine Rechte. „Birdwatchers“ beobachtet einige Guarani in ihrem Alltag im Reservat. Nach dem verzweifelten Selbstmord zweier Mädchen, die die Demütigungen ihrer Umgebung nicht mehr aushielten, führt Nadio seine Familie an ihren ehemaligen Siedlungsplatz. Dort ist ihre natürliche Lebenswelt, der Urwald, längst verschwunden. Stattdessen finden sie ein Feld und Zäune vor. Trotzdem besiedeln sie einen schmalen Streifen neben der Straße. Andere Guarani schließen sich ihnen an. Dem Farmer Moreira sind die neuen Bewohner ein Dorn im Auge. Langsam schwillt der Konflikt an. Aber nicht nur zwischen Moreira und den Guarani tritt der Streit zu Tage. Die angespannte Lage führt auch innerhalb der Parteien zu Reibungen. Doch mittendrin entspannt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen Moreiras Tochter und dem Sohn von Nadio.
Der italienische Regisseur Marco Bechis beschäftigt sich nicht das erste Mal mit sozialen und politischen Ungerechtigkeiten in Südamerika. Tatsächlich ist auch sein eigenes Leben davon geprägt. Der in Chile geborene und in Argentinien aufgewachsene Bechis hatte schon in den späten 70er Jahren unter dem Unrechtsregime von Jorge Videla zu leiden, wurde inhaftiert und gefoltert. Er hatte Glück und konnte kurz darauf nach Italien emigrieren. Sein bemerkenswerter Film „Junta“ (1999) setzte sich mit diesem düsteren Kapitel der argentinischen Geschichte auseinander. Mit „Birdwatchers“ widmet er sich dem Jahrhunderte andauernden Unrecht gegen die Ureinwohner Südamerikas, die getötet oder vertrieben wurden. Bechis, der mit den Guarani als Laiendarstellern gedreht hat, hat sich intensiv mit deren Schicksal auseinandergesetzt und thematisiert den Konflikt, ohne die Guarani romantisch zu verklären. Die Stärken des Films liegen darin, die beiden Welten mit einem genauen Blick aufeinanderprallen zu lassen, ohne den schnellen Effekt zu suchen. Wenn ein Junge mit großen Augen in einem Schuhladen vor den neuesten Sneakers steht und seinen ganzen Lohn dafür ausgibt, während seine Familie auf das Essen wartet, das er mitbringen soll, dann ist das ebenso tragisch wie Nadios Geste vor den Augen Moreiras beeindruckend ist. Moreira hatte gerade lamentiert, dass von dem Land bereits sein Großvater gelebt hat. Nadio hebt die Erde auf und isst sie. Konkreter und abstrakter zugleich hätte man den berechtigten Anspruch der Guarani nicht darstellen können.
(Christian Meyer)
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