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Kuratorin Drexl erklärt die Begriffsfindung „Kino“ anhand alter Werbebeispiele.
Foto: Paul Tschierske

Früher war mehr … Kino

31. Januar 2025

Führung durch die Essener Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ für trailer-Leser:innen

Schon von fern sieht man in der Dunkelheit das Orange der Rolltreppen, die auf dem Gelände der alten Essener Zeche Zollverein hoch hinauf ins Ruhr Museum führen. Oben angekommen leert sich gerade das Museum: Es ist kurz vor 18 Uhr am Freitagabend. Doch eine Gruppe steht um die Kuratorin Magdalena Drexl im Halbkreis – in Zusammenarbeit mit dem Ruhr Museum hat trailer eine kostenlose Führung durch die Ausstellung „Glückauf – Film ab! Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets“ organisiert. Anlass ist das 100-jährige Bestehen des 1924 in Essen gegründeten Filmstudios Glückauf.

Verschachtelte Gänge und Treppengeländer führen zur Ausstellung. Die Atmosphäre an sich ist schon filmisch: Der Weg durch das Museum ist nach Schließung schon in ein Dämmerlicht getaucht. Es wirkt ein bisschen wie in einem Film Noir, wie die Schritte der Teilnehmenden durch die Hallen hallen.


Kinosessel wurden über die Jahre immer komfortabler. Im Hintergrund die „Cinema“-Leuchtschrift des alten Bochumer Unicenterkinos. Foto: Ruhr Museum / Christoph Sebastian

Im Ausstellungsraum leuchten dagegen alte Kinoschilder wie das des Cinemas, einst ein Kino im Unicenter in Bochum. Oder ein alter Leuchtschriftzug des Capitols, das es mittlerweile in der Bochumer Innenstadt wieder gibt. Unwillkürlich bildet man sich den Geruch von Popcorn ein. Die Führung beginnt mit einer Begriffsklärung: Vor 100 Jahren war noch nicht klar, wie Kinos heißen sollen. Kleine Werbetexte laden ein ins „Elektrische Theater“ oder ins „Kine(ma)tographen-Theater“. Eine Einladung zum „Riesenkinematographen“ verspicht gar demjenigen 1000 Mark, der schon ein größeres Weltwunder gesehen habe.

Kino habe einmal Massen an Menschen angezogen, erklärt Drexl und verweist auf Fotos mit langen Schlangen auf den Gehsteigen vor den alten Kinokassen – den Kassenhäuschen. Davon gibt es zwei als Exponate in der Ausstellung. Weiterhin weist Drexl auf Fotos vom Bochumer Hauptbahnhof – dort gebe es das letzte Kinohäuschen des Ruhrgebiets. Es gehört zum Metropolis Theater, auch wenn es nicht mehr als Kasse fungiert. Dieses Bali-Kino (Bali: Bahnhof-Lichtspiele) ist ebenfalls das letzte seiner Art im Ruhrgebiet – früher waren die Nonstop-Kinos an so ziemlich jedem größeren Bahnhof zu finden. Mit einer Uhr neben der Leinwand, damit man seinen Zug nicht verpasst.


Früher essentiell bei Filmvorführungen: Schere und Klebeband. Foto: Paul Tschierske

Die Ausstellung zeichnet die Bedeutung und den Bedeutungsverlust von Kinos in den vergangenen Jahrzehnten nach. Ob als Propagandainstrumente eingesetzt oder als „Reformkinos“, wie ursprünglich das Filmstudio Glückauf. Diese Kinos wurden gegründet, um den angeblichen Gefahren des neuen Mediums für Jugend und Sitten entgegenzuwirken. Man wundert sich, wie viel Kino es im Ruhrgebiet gab. Wie bedeutend gerade Essen mit seinen Lichtspielhäusern, insbesondere mit der Lichtburg, auch heute noch ist. Oder, dass die Zeitlupe eine von Krupp finanzierte Erfindung war: Man wollte den Aufschlag eines Projektils auf sein Ziel filmisch darstellbar machen.

Der Rückgang von Kinos ist nicht auf die alten Bahnhofskinos begrenzt: Gelsenkirchen habe zur Hochzeit um die 70 Kinos gehabt, so Drexl. Heute sind es noch zwei. Noch stärker ist der Rückgang von Videotheken: Von einst rund 700 im Ruhrgebiet sind noch drei übrig. Viele Teilnehmende erinnern sich noch an ihre alten Stadtteilkinos. Ein einzelner Saal, irgendwo im Stadtteil – heute kaum noch vorstellbar. Bei einem alten Werbeplakat bleibt Michael Groß stehen. Lächelnd erzählt er, dass er daran mitgearbeitet habe. Bis Ende der 1980er-Jahre sei er Geschäftsführer des Kassenberg-Kinos in Mülheim gewesen.


Berühmte Handabdrücke vom „Walk of Fame“ der Essener Lichtburg. Foto: Paul Tschierske

Es sind diese privaten Anekdoten und Erinnerungen, die den Abend über die Führung hinaus besonders machen. Zum Abschluss lädt trailer auf ein Getränk ins Restaurant The Mine ein. Ein Leser erzählt, er habe mit Kollegen im Abitur eine Film-AG an seiner Schule geleitet. Einmal die Woche sei in die große Aula zum gemeinsamen Filmschauen geladen worden. Stets mit Klebeband ausgerüstet, denn die Filmrollen hätten nahezu immer geflickt werden müssen. Die Aula sei jedes Mal voll mit Hunderten Menschen gewesen. Im Dämmerlicht hätten sich erste Jugendromanzen entwickeln können. Mit einem verschmitzten Lächeln fügt er an: „Außerdem haben wir jetzt auch nicht so streng geschaut, ob alle wirklich schon 16 waren bei den altersbeschränkten Filmen.“ Netflix, Disney, Amazon etc. – heute mag es deutlich mehr Filme geben. Aber früher war mehr Kino.

Glückauf – Film ab! Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets | bis 2.3.2025 | Ruhr Museum, UNESCO-Welterbe Zollverein, Essen | 0201 24 68 14 44

Weitere Eindrücke zur Ausstellung finden Sie hier

Paul Tschierske

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