Die schönste Zeit unseres Lebens
Frankreich 2019, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Nicolas Bedos
Darsteller: Daniel Auteuil, Guillaume Canet, Doria Tillier, Fanny Ardant
>> www.constantin-film.de/kino/die-schoenste-zeit-unseres-lebens
Tragikomödie
Spielverderber
„Die schönste Zeit unseres Lebens“ von Nicolas Bedos
Eine Firma entführt ihre Kunden in eine aufwendig konstruierte, perfekte Illusion, in der Spiel und Realität verschwimmen. Ein gereifter Mann hat eigentlich alles, ist aber von allem gelangweilt und begegnet der Welt mit Zynismus. Ein Familienmitglied schenkt ihm einen Gutschein für das Spiel. Am Ende: Läuterung. Nein, das hier ist kein Remake von David Finchers „The Game“. Der französische Regisseur Nicolas Bedos („Die Poesie der Liebe“) entwirft vielmehr eine kleine, komödiantischere Variante: Victor (Daniel Auteuil) hat den Sprung ins digitale Zeitalter ebenso verpasst wie den Erhalt der Liebe zu seiner Frau Marianne (Fanny Ardant), mit der er bloß noch spöttelnd aneinander vorbei lebt. Sie hat sich längst eine Affäre zugelegt. Der erwachsene Sohn hält das irgendwann nicht mehr aus. Als er von einer Firma Wind bekommt, die Zeitreisen auf Wunsch inszeniert, lädt er den Papa dazu ein und fragt, wohin es gehen soll. Victor kommt zuerst die Steinzeit in den Sinn: „Damals hab ich noch mit meiner Frau geschlafen.“ Nach Eskalation und weiterer Besinnung ändert er den Plan und legt den Mai 1974 in Lyon als Ziel fest. Dort, in einem Bistro, begegnete er zum ersten Mal Marianne. Victor färbt sich den Mustache und sitzt schon bald der jungen Marianne gegenüber – bzw. der Darstellerin, die sie spielt. Eine zweite Chance für die Liebe?
Munter, wenn auch etwas verkopft, jongliert Bedos mit den Ebenen: Während Victor das Spiel fortwährend durchbricht, indem er Dialoge korrigiert und Schauspieler zurechtweist, fechtet die Darstellerin der Marianne am Set ihre Beziehungskrise mit dem Regisseur aus. Parallelmontagen lenken den Blick zugleich noch zur echten Marianne, die zusehends die Lust an ihrer Affäre verliert. Und Victor kommt mit der falschen Marianne der echten wieder näher. Das macht Spaß, bleibt aber insgesamt vorhersehbar, zumal der Zuschauer, anders als bei „The Game“, immerzu Spiel und Realität zu unterscheiden weiß. Doch die Offensichtlichkeit der Inszenierung ist zugleich das Konzept der Show: Am Set werden besondere Momente musikalisch verstärkt und Auftritte mit dem Spot begleitet. Das Ergebnis zählt, und das geht auf wie bei dem Vorbild von Fincher: Victor soll das hier Erlebte mit hinaus ins Leben nehmen.
Bedos sprudelt vor Ideen, Zitaten und Metaphern, die sich gelegentlich aber auch mal überfrachten. Das geht auf Kosten des Flows, vor allem aber versäumt Bedos, mit seiner Geschichte über den Herbst der Liebe zu berühren. Was aber großen Spaß macht, sind die vielen Details am Set der Illusion, das Spiel mit den Ebenen, die Brüche. Und wenn sich Victor und Marianne genüsslich und auf Augenhöhe mit Spott und Zynismen überwerfen, wünscht man sich eigentlich, dass die beiden nie wieder zusammenkommen. Den Gefallen aber, das liegt in der Natur des Genres, tut uns Bedos natürlich nicht.
Zwischen Helden- und Glückssuche
Die Kinotrends des Jahres – Vorspann 01/25
Schund und Vergnügen
„Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Filmstudio Glückauf Essen – Foyer 12/24
„Das Ruhrgebietspublikum ist ehrlich und dankbar“
Oliver Flothkötter über „Glückauf – Film ab!“ und Kino im Ruhrgebiet – Interview 12/24
Besuchen Sie Europa
Die Studie Made in Europe und ihre Folgen – Vorspann 12/24
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund