Erleuchtung garantiert
Deutschland 1999, Laufzeit: 108 Min.
Regie: Doris Dörrie
Darsteller: Uwe Ochsenknecht, Gustav-Peter Wöhler, Ulrike Kriener, Anica Dobra, Heiner Lauterbach, Franz X. Gernstl, Gisela Gernstl, Jimmy Blue Ochsenknecht, Wilson Ochsenknecht, Leopold Zieser, Emilia Zieser, Pierre Sanoussi-Bliss, Imaseki
Ihr Ziel war es, einmal einen Film zu machen, "bei dem alle Beteiligten in ein Auto passen". Für ein Minibudget von zwei Millionen Mark organisierte Doris Dörrie ("Männer", "Bin ich schön?") tatsächlich einen Trip mit zwei Schauspielern, einer Kleinst-Crew und der neuesten DV-Kamera nach Japan und zauberte einen veritablen Kinofilm aus dem digitalen Videomaterial. Das Premiere-Publikum bei den Hofer Filmtagen war begeistert.Uwe und Gustav (in blendender Spiellaune: die beiden Dörrie-Stars Uwe Ochsenknecht und Gustav-Peter Wöhler) sind Brüder und beide auf ihre Weise in einer Lebenskrise. Den einen, Macho und Küchenmöbel-Verkäufer, haben gerade fluchtartig Frau und Kinder verlassen, dem anderen, esoterisch angehaucht und nicht gerade leidenschaftlich mit seiner herben Lebensgefährtin verbandelt, steht der Sinn nach befristetem Ausstieg. Gustav will in ein Zen-Kloster nach Japan, in seiner Not schließt sich ihm der krisengeschüttelte Uwe an.Und plötzlich stehen sie gemeinsam mitten im hektischen Tokyo, und aus dem buddhistischen "Sichfallenlassen" wird schnell heiliger Ernst. Innerhalb einer Nacht verlieren sie ihr gesamtes Bargeld, ihre Kreditkarten und schließlich komplett die Orientierung. Da schlagen für den labilen Gustav und den rauhen Uwe die Stunden der Wahrheit und Bewährung. Diese Krise ist jedenfalls zu meistern. Mit irrem Witz und improvisierten Dialogen tummeln sich die beiden durch den Neon-Dschungel und schaffen es tatsächlich am nächsten Morgen ohne Vor- und Sprachkenntnisse bis vor die Kloster-Tore.Dann geht's erst richtig los. Doris Dörrie ist es gelungen, mit der kleinen Mannschaft eine Drehgenehmigung zu bekommen und vierzehn Tage lang hautnah die Abläufe und Rituale eines echten Zen-Klosters zu beobachten. Die mal tiefen, mal banalen Erfahrungen ihrer beiden Suchenden konnte sie hervorragend einarbeiten. Es gibt Dialoge von frappierender Ehrlichkeit, die einen glauben machen, hier wären zwei echte Brüder mit den Wahrheiten ihres Lebens konfrontiert. Es gibt herzerfrischend komische Qualen beim Wecken um halb vier morgens, bei den täglichen Wasch-, Putz- und Laubfege-Zeremonien, nicht zu vergessen die knochen- und muskelzerrende Tortur beim Sitzen, Hocken, Knien. Den beiden fährt das Meditieren regelrecht in die Glieder, und es wird zur Strapaze für die hoffnungslos mitteleuropäischen Münchner Krisen-Männer, so "frisch wie eine Blume", so "stark wie ein Berg" und so "ruhig wie ein See" zu sein, wie die stets aufgeschlagene Zen-Fibel es fordert. Doch nach den Motto "Wenn du gehst, dann geh, wenn du stehst, dann steh, und ohne zu schwanken!" wird für sie der Weg zum Ziel, und am Schluss sind sie beide nicht mehr dieselben, die sie waren.Doris Dörrie ist ein Kleinod an Spontaneität, wohltuend ironischem Tiefgang und unterhaltsamer Lebensphilosophie gelungen. Uwe Ochsenknechts Talent für komische Rollen ist augenscheinig (warum tut er sich eigentlich immer wieder die schlimmen Fehlbesetzungen an?), und Gustav-Peter Wöhlers Interpretation des dicklichen, herzensguten, weltfremden Möchtegern-Mönchs ist einfach unwiderstehlich. Bezogen auf die technische Ausstattung handwerklich hervorragend gemacht kommt diese Studie wie leichthin inszeniert daher und ist dabei ein weiteres Beispiel für das außergewöhnliche Können der Schriftstellerin und Filmemacherin Doris Dörrie.
(Heinz Holzapfel)
Zwischen Helden- und Glückssuche
Die Kinotrends des Jahres – Vorspann 01/25
Schund und Vergnügen
„Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Filmstudio Glückauf Essen – Foyer 12/24
„Das Ruhrgebietspublikum ist ehrlich und dankbar“
Oliver Flothkötter über „Glückauf – Film ab!“ und Kino im Ruhrgebiet – Interview 12/24
Besuchen Sie Europa
Die Studie Made in Europe und ihre Folgen – Vorspann 12/24
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund