Fargo
USA 1996, Laufzeit: 97 Min., FSK 16
Regie: Joel Coen
Darsteller: William H. Macey, Steve Buscemi, Frances McDormand, Peter Stormare, Kristin Rudrüd
Groteskes Drama aus der Schmiede der Gebrüder Coen
Blutiger Schnee
"Fargo" von Joel und Ethan Coen
Fargo. Eine Stadt mit etwas über 100.000 Einwohnern im US Bundesstaat North Dakota. Frostig kühl geht es zu im Film der Coen-Brüder Joel und Ethan, wo im amerikanischen Hinterland der Schnee mit dem Horizont zu verschwimmen scheint und alles in trübem Nebeldunst verwischt. Hier trifft sich der Autohändler Jerry Lundegaard (William H. Macy) mit den zwielichtigen Gestalten Carl (Steve Buscemi) und Gaer (Peter Stormare) in einer Trucker-Bar. Der konstant überfordert wirkende und finanziell belastete Mann hat die beiden Kleinganoven angeheuert, um zuhause im Nachbarstaat Minnesota die Entführung seiner eigenen Frau durchzuführen. Sein Schwiegervater ist ein durchaus wohlhabender Konzernchef, aber knauserig mit seinem Geld, das Jerry bereits erfolglos für eine Investition angefragt hatte. Daher soll stattdessen das Lösegeld kassiert werden. Doch Carl und Gaear sind weder Profis noch ein eingespieltes Team. Nachdem Jerrys Frau in Minneapolis entführt wird, läuft alles etwas aus dem Ruder, denn gerade Gaear ist ebenso wortkarg wie unberechenbar. Ruckzuck liegen im ländlichen Brainerd eine handvoll Leichen im Schnee und die örtlichen Cops schalten sich ein – in diesem Fall die hochschwangere Polizistin Marge Gunderson. Die wirkt zunächst mit ihrer morgentaufrischen Art so gar nicht wie der typische Arm des Gesetzes. Trotzdem sollte man die zuvorkommende Lady, die für ihren Ehemann Norm Angelköder besorgt und ihn beim Briefmarkendesignwettbewerb (Enten!) unterstützt, nicht unterschätzen. Dass Jerrys empörter Schwiegervater Wade die Freipressung seiner Tochter in die eigene Hand nimmt, während die Entführer zunehmend ungeduldig werden, macht die Situation dabei auch nicht besser.
Kurz gesagt: In Fargo trifft das unfähige Verbrechen auf die unaufhaltsame Kraft des Gesetzes in Form von Marge Gunderson, während sich in grotesken Aussetzern der Schnee blutrot färbt. Was aber wie eine 08/15-Story klingt, ist bei den Coens eine kleine, ebenso tragisch wie schwarzhumorig verwobene Geschichte aus dem nördlichen, recht skandinavisch geprägten Hinterland Amerikas, wo alles irgendwie fremdländisch, irgendwie langsamer und unaufgeregt vorangeht (und die Leute einen interessanten Dialekt sprechen). Marge ist aufrecht und integer durch und durch und ähnelt in gewisser Weise Kyle McLachlans Agent Cooper aus der Kultserie Twin Peaks. Selbst im Angesicht traumatisierender Gewaltorgien bewahrt sich die großartige Frances McDormand ihre „Happy-go-lucky“-Einstellung. So können die Coens mit eindrucksvollen Landschafts- und Menschenporträts einer zwar kalt-ungemütlichen, aber menschlich warmen Region den Zuschauer einlullen, um im nächsten Augenblick diese provinzielle Ruhe mit der Axt oder dem Holzhäxler zu zerstören. Mittäter dabei ist wie so oft der Coen’sche Hofkomponist Carter Burwell, der wieder einen schwermütigen Soundtrack schafft und abermals prädestiniert für schwarze Komödien erscheint („Brügge sehen… und sterben?“). Auch bei der Besetzung wurde nichts falsch gemacht und im Fall von dem in seinen Rollen ständig vom Schicksal gebeutelten William H. Macy und Kult-Glubschauge Steve Buscemi zugegebenermaßen nicht wirklich gegen den Strich besetzt. Peter Stormare als Bruce Willis-Look-alike im Psychopathenmodus hinterlässt bleibenden Eindruck, ebenso wie der heimliche „Star“ des Films, Frances McDormand (übrigens seit 1984 mit Joel Coen liiert). Sie macht eine starke menschliche Komponente aus, die den Film zwar melancholieschwanger, niemals aber trostlos werden lässt: „There's more to life than a little money, you know. Don'tcha know that? And here ya are, and it's a beautiful day. ..“
Fargo bekam 1997 den Oscar für die beste Hauptdarstellerin und das beste Drehbuch und zementierte sich als Kultfilm.
(Daniel Brüning )
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