Frühling, Sommer, Herbst, Winter und ... Frühling
Deutschland/Südkorea 2003, Laufzeit: 103 Min.
Regie: Kim Ki-Duk
Darsteller: Oh Young-soo, Kim Jong-ho, Seo Jae-kyoung, Kim Ki-Duk, Kim Yeong-min,, Ha Yeo-jin, Kim Jung-young, Ji Dae-han, Choi Min, Park Ji-ah, Song Min-yeong
Welchen Weg zum Wesentlichen muss man gehen? Hinter welcher Tür verbirgt sich die Lösung existentieller Probleme? Man stelle sich ein Haus vor, in dem es zwar Türen gibt, aber keine Mauern, die die verschiedenen Gemächer voneinander trennen. Man könnte also einfach von einem Bereich zum anderen hinüberschreiten, ohne jedes Hindernis. Trotzdem sind die Türen da, und es gilt die Regel: nur durch sie darf man das dahinter liegende Zimmer betreten. Die Übereinstimmung mit wichtigen Entscheidungssituationen unseres Lebens ist offensichtlich. Man kann beliebig und ungehindert von hier nach dort laufen und findet trotzdem nie den richtigen Weg. Nur einer ist der richtige: durch die Tür, durch die sich die wahre Lösung eröffnet.
Der Film des koreanischen Regisseurs Kim Ki-Duk erzählt eine Geschichte, die zu weiten Teilen in einem Haus spielt, das keine Trennwände besitzt. Es gibt trotzdem Türen, die Schlafbereiche eines Mönchs und seines Schülers sind auf diese ebenso reale wie imaginäre Weise abgeteilt. Die Personen wachen auf, erheben sich und gehen durch die frei im Raum stehende Tür in den Wohnbereich, von dem eine weitere Tür hinaus führt. Das Haus ist eine Enklave, es schwimmt auf dem Jusan See, manchmal still und völlig bewegungslos, manchmal von einer Brise leicht über das Wasser getrieben. Die Außentür ist also die einzige, die tatsächlich einen Durchgang verschafft durch eine real existierende Trennwand, und trotzdem gelangt man durch sie nicht ins Freie, weil das Gebäude von Wasser umschlossen ist. Ein Ruderboot bringt einen ans Ufer. Ein Bild, das an den griechischen Hades-Mythos erinnert: der Mönch als Charon-Figur. Doch welche Richtung schlägt er jeweils ein? Ist die Welt "draußen" die Unterwelt und seine Einsiedelei das Diesseits? Liegt in der Einsamkeit und Loslösung von allem Weltlichen das wirkliche Leben? Oder ist man wie tot auf dieser Insel und muss hinaus in die grausame Wirklichkeit wie der junge Schüler des Mönchs, um sich dort selbst zu finden?
Wenn man mit dem Boot ans Ufer kommt, steht am Steg ein Tor. Es steht dort allein, ohne Mauer, ohne Zaun, neben mächtigen Bäumen, und jeder öffnet oder schließt es, der diesen seltsamen Schauplatz betritt. Dieses Tor eröffnet jedes der fünf Kapitel des Films. Die Kamera erfasst leinwandfüllend die verblichene, mit Zeichnungen gestaltete Holzfläche. Die Flügel öffnen sich knarrend, der See breitet sich vor unseren Augen aus im wechselnden Licht der Jahreszeiten, die Bäume tragen Blüten oder sind schneebedeckt. In diesem Wechsel, im Verlaufe der Jahre, die vergehen, während der Film seine Geschichten erzählt, scheinen der See, die Bäume, das Tor und das Haus nicht zu altern, während das Schicksal der Menschen von Krisen, Tod und Untergang gezeichnet ist. Der Blick der Kamera ist die "Via regia" (nach Freuds Bezeichnung der Traumdeutung als "Via regia" zum Unbewussten) dieses stillen, tiefgründigen Werks. Sie selbst ist das Tor zu einer filmischen Welt, die nur einen Zugang erlaubt: den des sich selbst gewissen eigenen Blickes. In einer atemberaubenden Reflexionsbewegung nimmt sie das Dilemma der Erkenntnis wieder auf, das sich in den Metaphern offenbart von der einen, einzigen Tür zum Wahren und Richtigen. Kein Weg, keine Entscheidung, kein Bild, das man sich von der Welt macht, kann beliebig sein.
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