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Ich geh nach Hause
Portugal/Frankreich 2001, Laufzeit: 90 Min.
Regie: Manoel de Oliveira
Darsteller: Michel Piccoli, Catherine Deneuve, Antoine Chappey, John Malkovich, Leonor Baldaque, Leonor Silveira, Sylvie Testud, Adrien de Van, Andrew Wale, Robert Dauney, Mauricette Gourdon

Eine Theaterbühne: ein alter Mann spielt einen lächerlichen, senilen Herrscher. Seine Mitspieler behandeln ihn mehr oder weniger mitleidig bis verachtungsvoll, nicht nur als Spiel auf der Bühne, sondern, wenn auch verborgener, in den Kulissen. Nach der Schauspielpräsentation erwartet ihn noch eine wirkliche Todesbotschaft: seine Frau und seine Kinder sind tödlich verunglückt. Manoel de Oliveira geht in sehr langsamen und intensiven Bildern einer Schlüsselsituation menschlicher Existenz nach: dem Verlust der Vertrauten wie der eigenen Kapazität, und dem unausweichlichen Eintauchen in eine sich langsam schliessende Einsamkeit. Michel Piccoli übernimmt in bewundernswerter Präzision diesen schweren Part, einen alternden Schauspieler zu spielen, dem seine Welt verloren geht, und der doch alles tut, seine Würde nicht zu verlieren und keine Klage über die Lippen zu bringen. Selbst die Zwischentöne, die Distanz zu sich selbst, wie zu den Anderen, werden hier fühlbar. Undezent nach seinen “Gefühlen³ hinsichtlich des Unfalls gefragt, zieht der es vor, von seinen neuen Schuhen zu sprechen. Während der langen Unterhaltung bleibt die Kamera die ganze Zeit auf diese gerichtet, und die minimalen Bewegungen seiner Beine, ihre Verspannungen und nachdrücklichen Bewegungen, zeigen mehr vom inneren Zustand des Mannes, als die gewechselten Worte. Eine Schule der Kunst des Sehens bietet der über 90jährige Oliveira hier ganz wie nebenbei. Gewiss werden einige Zuschauer die Einstellungen Oliveiras als zu lang und insistierend empfinden. Aber gerade das Ausharren im Unbehagen, das eigentliche Schicksal des Alters, wird so ­ und wohl nur so ­ zur unmittelbaren Erfahrung, beispielsweise, wenn der geschwächte Mann plötzlich auch auf der Bühne nicht mehr zu bestehen vermag, beobachtet von einem bedeutenden Regisseur (beeindruckend hier: John Malkovich), der ihm die Rolle als Vertretung angeboten hat. Zum Beispiel in den Momenten, da ihm auch von Freunden beschämende Aufträge angeboten werden, die seiner professionellen Ethik und Lebenshaltung genau zuwiderlaufen. Lediglich im Spiel mit seinem hinterbliebenen Enkel findet der Mann noch zu Momenten des Aufatmens, da dieser vom Tod noch nichts weiß. Manoel de Oliveira schafft einen Film, der durch die Sorgfalt seiner Beobachtung zu den exemplarischen Studien des Unbehagens in unserer Kultur zu rechen ist.

(Dieter Wieczorek)

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