Joana Mallwitz – Momentum
Deutschland 2024, Laufzeit: 88 Min., FSK 0
Regie: Günter Atteln
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Mitreißendes Dirigentinnen-Portrait
Die Echtheit ist immer stärker
„Joana Mallwitz – Momentum“ von Günter Atteln
Joana Mallwitz wird 1986 geboren, erhält mit fünf Jahren Klavier- und Violinunterricht und ist später Frühstudentin an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Mit 27 wird sie am Theater Erfurt jüngste Generalmusikdirektorin, 2018 arbeitet sie in selbiger Funktion bei der Staatsphilharmonie Nürnberg. 2020 verantwortet Mallwitz die musikalische Leitung von „Cosi fan tutte“ bei den Salzburger Festspielen. Seit 2023 schließlich engagiert sie das Konzertorchester Berlin als Chefdirigentin und künstlerische Leiterin. Darüber hinaus gastiert sie u.a. in Amsterdam, Dresden, London, Oslo, Zürich und Paris.
Regisseur Günter Atteln („Maestras“) begleitet Joana Mallwitz ab 2021 für zwei Jahre und montiert aus der Essenz seiner Eindrücke ein atemberaubendes Dokument. Sein Film profitiert dabei von seiner Protagonistin, die unaffektiert und authentisch vor der Kamera ihren Alltag bei der Arbeit und daheim mit ihrem Mann, dem Tenor Simon Bode, und dem neugeborenen Sohn meistert. Und der Film hat das Glück, die „Ausnahmedirigentin“ durch die Phase auf ihrem Weg nach Berlin zu begleiten, durch Abschied und Neuanfang, durch Hoch und Tief.
Günter Atteln macht nah und intim das künstlerische Selbstverständnis der Künstlerin erfahrbar. Mallwitz öffnet sich und spricht pointiert. Über ihr Talent, über ihre Albträume, ihre Selbstfindung und ihr Ziel: die Herausforderung zu suchen. Von der ersten Sekunde an vermittelt der Film ihre Leidenschaft. In Wort, vor allem aber in Bild: Wenn Atteln sie mit der Kamera vor dem nächsten Auftritt Backstage durchs Lampenfieber begleitet, um sie anschließend und immer wiederkehrend am Dirigentenpult einzufangen, wo Mallwitz in der Komposition aufgeht und ihr Orchester mitreißt. Jemand hat ihr einmal gesagt: „Du wirkst so Zen beim Dirigieren“. Die Doku macht diesen Eindruck erfahrbar.
Männerdomäne, Mutterrolle: Der Film begleitet Mallwitz auch durch manche Interviews. Die gestalten sich wiederholt grotesk, wenn Journalistinnen immer wieder die „blöde“ Frauenfrage stellen möchten, das im Vorgespräch aufs Absurdeste rechtfertigen und sich dabei mit allerhand Schwurbelei lächerlich machen. Mallwitz hält das zähneknirschend aus und bedauert später gegenüber Atteln diesen ewigen Filter, der sie seit über fünfzehn Berufsjahren begleitet: „Es ist so nervig.“ Joana Mallwitz will einfach nur über ihre Arbeit reden.
So wie in diesem Film, der so viel vermittelt von ihrer Arbeit, ihrer Kunst und ihrem Verständnis als Künstlerin. Davon, wie Mallwitz mit ihren Musikern kommuniziert, davon, wie sie Emotion und Werkzeug, Leidenschaft und Taktstock symbiotisch unter einen Hut bekommt. Davon, wie sie sich auf einen Kaffee mit Igor Levit trifft. Von ihrer Ehrfurcht vor den großen Meistern. Davon, wie sie ihre Inszenierung auch mal nicht im Sinne Beethovens interpretiert, denn: „Die Echtheit ist immer stärker“. Von ihrer begeisterten Neugier darüber, woher Schubert bloß wusste, wie das Jenseits klingt. Und davon, wie sie amüsiert den Antisemiten Richard Wagner bloßstellt.
Ein lohnenswertes Dokument über eine Vollblut-Dirigentin. Menschlich. Nah. Mitreißend.
(Hartmut Ernst)
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