John Rabe
D/F/VRC 2009, Laufzeit: 130 Min., FSK 12
Regie: Florian Gallenberger
Darsteller: Ulrich Tukur, Daniel Brühl, Steve Buscemi, Anne Consigny, Zhang Jingchu, Dagmar Manzel, Gottfried John, Mathias Herrmann, Akira Emoto, Teruyuki Kagawa
Unternehmensführer und Humanist – so etwas ist heute nur noch schwer vorstellbar. John Rabe war so einer. Florian Gallenberger erzählt davon, wie das NSDAP-Mitglied 200.000 Chinesen vor mordenden Japanern rettete.
China, Nanking, 1937: Seit 26 Jahren leitet John Rabe (Ulrich Tukur) mit strenger Hand die dortige Siemens-Niederlassung. „China ist die Macht der Zukunft“, sagt er. Ihm entgeht dabei, dass man daheim im Reich diesen Platz für sich beansprucht. Damit einhergehend sollen die Siemens-Werke in Nanking geschlossen werden. Just als Rabe nach Hause beordert wird, bricht der japanisch-chinesische Krieg aus. Der Geschäftsmann beschließt zu bleiben und chinesischen Zivilisten vor den einfallenden japanischen Truppen Schutz zu bieten. Das Siemens-Grundstück wird zur Sicherheitszone.
Regisseur Florian Gallenberger gewann 1999 den Kurzfilm-Oscar, sein erster Spielfilm „Schatten der Zeit“ floppte. Mit „John Rabe“ geht er auf Nummer sicher, und das effektiv: Der Film geht handwerklich und dramaturgisch keine Wagnisse ein oder versucht sich, wie seinerzeit Spielberg mit seinem „guten Deutschen“ Schindler, an ästhetischen Clous. Ebenso wenig verfällt Gallenberger in gleichnishafte Spirenzchen wie im letzten Jahr noch „Anonyma“, der vom Schrecken des Krieges erzählen wollte, dies aber zu weltenthoben verpackte. „John Rabe“ ist stilsicher, aber unaufgeregt inszeniert und verliert nie die Bodenhaftung – und damit nähert er sich seinem Thema angemessen. Gallenberger kann sich dafür schon allein auf die filmreife Geschichte verlassen, die auf Rabes Tagebüchern fußt. Die Geschichte eines Heimatentrückten, der nach 26 Jahren in China plötzlich feststellen muss, wie fremd ihm die Fremde noch immer ist. Ein Verlorener, der Zeuge barbarischer Gräueltaten wird, der zu Entscheidungen um Leben oder Tod gezwungen wird und sich beherzt für das einsetzt, was er aufgebaut hat.
Die Japaner kommen dabei wahrlich nicht gut weg: Unmenschlich und kaltblütig sind sie, Lügner, Vergewaltiger, Kriegsverbrecher und Barbaren, die Köpfen als Volkssport betrieben. Eingestreute Archivaufnahmen wecken Erinnerungen an die Bilder von den Verbrechen der Wehrmacht. Es wirkt dabei etwas aufgesetzt, dass Gallenberger den Japanern einen verlorenen Offizier mit Gewissensbissen anheimstellt – den guten Japaner.
Ansonsten extrahierte Gallenberger aus den Tagebüchern ein spannendes und glaubwürdiges Drehbuch, in dem es auch an Humor nicht fehlt, vor allem wenn der eherne Kaufmann auf den zynischen britischen Dr. Wilson (großartig: Steve Buscemi) trifft, der eine Hassliebe zum Nazi Rabe entwickelt. Daniel Brühl überzeugt als deutsch-jüdischer Diplomat, und allen voran glänzt Ulrich Tukur in der Hauptrolle, der seine preußische Figur bravourös mit Menschlichkeit veredelt.
(Hartmut Ernst)
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