Mr. Shi und der Gesang der Zikaden
USA 2007, Laufzeit: 83 Min., FSK 0
Regie: Wayne Wang
Darsteller: Henry O, Pavel Lychnikoff, Ryan Sanson, Jared Wagner, Lonny W. Waddle, Wes Deitrick
Ein alter Chinese besucht seine Tochter in den USA. Dabei kommt es zu allerlei Kommunikationsproblemen, die sich nicht allein aus den sprachlichen Barrieren ergeben.
Die junge Chinesin Yilan (Faye Yu) lebt schon seit geraumer Zeit in den Vereinigten Staaten. Als sie sich von ihrem Mann trennt, kommt ihr Vater, Mr. Shi, aus der Heimat angereist. Der ist zunehmend von Kultur und vom Lebenswandel seiner Tochter irritiert. Als sich ihr Vater in ihr Appartement einnistet, geht Yilan auf Distanz zu ihm. Mr. Shi unternimmt tagsüber Ausflüge und begegnet dabei einer iranischen Dame, mit der er über die Sprachbarrieren hinaus kommuniziert. Zwischen Vater und Tochter kommt es schließlich zur überfälligen, familiären Aussprache.
Nach Ausflügen in den Hollywood-Mainstream findet Wayne Wang mit diesem angenehm unspektakulären Film endlich wieder zurück zu „Smoke“-Zeiten. Im schlichten Gewand erzählt er hier von einer zaghaften Vater-Tochter-Annäherung, die schließlich zum Familiendrama erwächst. Aufgelockert wird die Geschichte durch allerlei heitere „Lost in Translation“-Momente: Hier ist es jetzt der Asiate, der sich mit der englischen Sprache herumschlagen muss und der episodenhaft allerlei befremdliche Begegnungen zu überstehen hat. Sei es eine junge Forensikerin im Bikini am Motelpool oder zwei Zeugen Jehovas, die Mr. Shi bei seiner Tochter aufsuchen und denen der weise Mann im gebrochenen Englisch Marx und Engels näher bringt. Durch die Iranerin, die in Amerika lebt, ohne die Sprache zu sprechen, und mit Yilan, die im Ausland erst die Sprache gefunden hat, mit der sie sich ausdrücken kann, die zugleich aber einsam ist, verleiht Wang der Geschichte dabei melancholischen Tiefgang. Ummantelt wird das Episodische von der „Lost in Relation“-Story, die von Vater und Tochter erzählt, die zwar die gleiche Sprache sprechen, genau das aber eben nie hinreichend zusammen getan haben.
Die Stärke bei all den Sprachbarrieren ist, dass Wang seine Protagonisten nicht nur reden, sondern auch schweigen lässt. Leise Klaviertöne begleiten die Schicksale dieses zarten Films, der sich zunehmend dunkler färbt, wenn alte Wunden aufgerissen werden und endlich zur Sprache kommen. Sprache kann „sowohl befreiend als auch einengend wirken“, so die Erkenntnis von Wang aus einer Kurzgeschichte von Yiyun Li, die dem Film zugrunde liegt. Wang fächert diese Einsicht vielschichtig auf, mal tragisch, mal wundervoll komisch.
(Hartmut Ernst)
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