The Beast
Frankreich, Kanada 2023, Laufzeit: 146 Min., FSK 12
Regie: Bertrand Bonello
Darsteller: Léa Seydoux, George MacKay, Guslagie Malanda
>> grandfilm.de/the-beast/
Visuell überraschender Science Fiction über Angst und Einsamkeit
Dem Leben zuschauen
„The Beast“ von Bertrand Bonello
Die Filme von Bertrand Bonello unterlaufen oft die Erwartungshaltungen. Der Thriller „Nocturama“ von 2016 bietet nur wenig Action, und „Zombi Child“ von 2019 ist alles andere als ein klassischer Zombie-Film. Und so ist auch „The Beast“ mit dem Genre Science-Fiction kaum zu fassen. Bonello baut seine Filme eher um Begriffe, Themen und andere Inspirationsquellen auf. So verpflichtet sich auch seine Adaption von Henry James’ Novelle „The Beast in the Jungle“ aus dem Jahr 1903 nur vage der Vorlage und nimmt sie vielmehr als Basis für weitere Gedankenspiele. Die Novelle scheint über 100 Jahre nach ihrer Entstehung dafür wie geschaffen und den Zeitgeist gut zu treffen. In den letzten Jahren erschienen mehrere Verfilmungen der rund 80-seitigen Geschichte, die von einem Mann handelt, der sich vor einem unbestimmten dramatischen Schicksal fürchtet. In dieser Vorahnung verharrend, zieht das echte Leben an ihm vorüber.
Bertrand Bonella verwandelt die männliche Hauptfigur in seine Heldin Gabrielle, die im Paris des Jahres 2044 lebt. Durch den rasanten Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist das Leben ruhiger und vernünftiger geworden. Das liegt vor allem daran, dass die KI ohne menschliche Gefühle und Affekte wesentlich ökonomischer und zuverlässiger – so die allgemeine Ansicht – handeln kann. Als Nebeneffekt liegt die Arbeitslosigkeit unter den Menschen bei über 60 Prozent. Gabrielle hat starke Gefühle, vor allem abstrakte Gefühle der Angst. Um weiterhin gut zu funktionieren, schlägt man ihr eine Reinigung ihrer DNA vor. Während dieses Reinigungsprozesses durchlebt sie vergangene Ereignisse erneut. Gabrielle reist bei ihrer ersten Sitzung ins Paris des Jahres 1910, wo sie als erfolgreiche Pianistin mit einem Puppenfabrikanten verheiratet ist. Auf einem Fest trifft sie auf Louis, der eine magische Anziehung auf sie ausübt, als wäre er ein Seelenverwandter. Bei der zweiten Sitzung ist Gabrielle angehende Schauspielerin und Model im Los Angeles von 2014, die bislang ihr Einkommen durch Homesitting in großen Villen sichert. Auch hier trifft sie auf Louis. Schließlich kommt ihr Louis auch im Jahr 2044 in einem der langen Gänge des Gebäudes entgegen, in dem ihr Reinigungsprozess vollzogen wird. Macht er Ähnliches durch?
In den Diskussionen um Künstliche Intelligenz geht es meist um technische und ethische Fragen und manchmal darum, ob sie menschliche Gefühle erkennen und darauf empathisch, also mit sozialer Intelligenz, reagieren kann. Dass eine KI selber Gefühle, also emotionale Intelligenz, entwickeln und nicht nur imitieren kann, zählt eher zur Science Fiction. Seltener wird die Frage nach der Rückkopplung auf die Menschen gestellt: Wie wird KI die Gefühle der Menschen verändern, so wie die Erfindung des Computers und des Internets schon jetzt Auswirkungen auf unser Denken und Fühlen haben? Bertrand Bonello nimmt die Zuschauer:innen in „The Beast“ mit auf eine emotionale Zeitreise und stellt neben die existentiellen Themen der Vorlage gleichberechtigt diese Fragen.
Die drei Zeitebenen des Films sind nur lose ineinander geflochten, werden aber gleichermaßen von verschiedenen Motiven – unheilverkündende Vögel, gespenstische Puppen, Wahrsagerinnen und schmachtende Liebeslieder – durchzogen, die Giselle immer wieder als Echo wahrnimmt, so wie sie auch immer wieder tagtraumhaft die Seelenverwandtschaft zu Louis erkennt. Léa Seydoux spiegelt als Giselle das überwältigende, aber unerfüllte Begehren mit einer Präsenz, die die Leinwand zum Vibrieren bringt. Sie trägt den Film von der ersten bis zur letzten Einstellung. Ihr Gegenpart George MacKay („1917“) wirkt dagegen kühl. Außer im Jahr 2014, wo er ein an den Amokläufer Elliot Rodger angelehnter Incel ist. In dieser Episode, angelehnt an Fred Waltons „When a Stranger calls“ von 1979, wird „The Beast“ zum realistischen Thriller, während die beiden anderen Episoden im überfluteten Paris von 1910 und im leergefegten Paris von 2044 in eindringlichen Bildern von Liebe und Angst, Einsamkeit und Tod erzählen. „The Beast“ behandelt eine Zukunft, die durch Technologie Einsamkeit produziert und zugleich versucht, diese Einsamkeit technisch zu überwinden. Doch eigentlich ist das gar keine Science-Fiction, wir sind schon mittendrin.
(Christian Meyer-Pröpstl)
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