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Va Savoir
Frankreich/Italien/Deutschland 2001, Laufzeit: 154 Min., FSK 6
Regie: Jacques Rivette
Darsteller: Jeanne Balibar, Sergio Castellitto, Jacques Bonnaffé, Marianne Basler, Hélène de Fougerolles), Bruno Todeschini, Cathérine Rouvel, Claude Berri

Man wird wohl nicht mehr von "Nouvelle-Vague" (Neue Woge/Welle) sprechen können, will man den heutigen Filmstil des 73jährigen Jacques Rivette auf den Punkt bringen. Doch eine Frische des Blicks, eine heitere Lebensstimmung, ein ironische Blick auf das Menschlich-Allzumenschliche trägt er immer noch in sich. Vor allem aber eine humane Dimension, eine nicht analytische, nicht polemische, nicht an Zerreisphänomen oder Schockeffekten orientierten Optik, wie sie im heutigen Filmgeschehen immer seltener wird, ist diesem seinen letzten, in Cannes uraufgeführten Werk zu eigen. Dazu gehört; dass er seinen Charakteren Zeit zur Entfaltung lässt (immerhin 154 Minuten in der kürzesten Version, 220 Minuten im "Director's cut"), dass er das Geschehen bricht zwischen mehreren Schauplätzen, die dann kunstvoll wieder zusammengeführt werden, dass er das jedem Film innewohnende Theatralische nicht preisgibt, sondern akzentuiert und dass er mit metaphorischen Spiegeleffekten jongliert, wie dem Hin- und Herzirkulieren zwischen dem (im Film dargestellten) Theatergeschehen und der eigentlichen Handlung. Wenn am Schluss sich alles wieder zusammenfügt, wird der Schauplatz aufs neue der Theaterraum sein. Nein, seine Charaktere entkommen dem Schauspiel nicht, auch nicht dem der notwendigen, alltäglichen Selbstdarstellung. Sie suchen ihren Platz auf der Bühne, Leben genannt. Da ist Ugo, ein eleganter, sensibler Liebhaber (Top: Sergio Castellitto), der beobachten muss, dass seine Geliebte Abstand zu ihm nimmt, da ist die fragile, stets leicht hysterische Camille (Jeanne Balibar), die irritiert ist, ihren ehemaligen Liebhaber wieder zu treffen, da ist dieser selbst, ein etwas kauziger Universitätsphilosoph, der sich in ein bürgerliches Leben geflüchtet hat, und doch erkennt, dass es vielleicht ein Fehler war, seine Geliebte einst so leichthin ziehen zu lassen, da ist die verwöhnte Bürgertochter Marianne auf der Suche nach einer wirklichen Passion, da ist ihr latent inzestuöser Halbruder, professioneller Dieb und Liebschaftsschwindler.... Sie alle treffen im bunten Reigen möglicher Situationen aufeinander und spielen sich das Theater des Lebens vor, mit seinen Höhen und Tiefen, jedoch nie verzerrt von Obsessionen, Perversitäten, unkontrollierten Effekten, Monstrositäten oder traumatischen Delirien, wie sie dem heutigen Filmpersonal üblicherweise infiltriert werden. Nebenbei ereignet sich in "Va savoir" die vielleicht heiterste Duellszene der Filmgeschichte. Nachdenkliche Heiterkeit, dies ist vielleicht ein angemessenes Schlüsselwort, um den Kosmos Jacques Rivettes zu umschreiben.

(Dieter Wieczorek)

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