We Live In Time
Großbritannien, Frankreich 2024, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: John Crowley
Darsteller: Andrew Garfield, Florence Pugh, Adam James
Sensible Tragikomödie
Entscheidung
„We live in Time“ von John Crowley
London. Almut (Florence Pugh) ist aufstrebende Köchin mit anglobavarisch inspirierter Ausrichtung, Tobias (Andrew Garfield) bewirbt Müsliprodukte und befindet sich in Scheidung. Ein an sich ungemütlicher Schicksalsschlag bringt zwischen den beiden eine Romanze ins rollen. Der Funke, der überspringt, ist vielversprechend, zugleich aber kollidiert Bindungsbegehren mit dem Streben nach Unabhängigkeit, und in Sachen Kinderwunsch sind sich die beiden auch nicht einig. Lieben, lachen, streiten: Das Paar ist gefordert und zugleich erfüllt, bis eine Diagnose selbst verhärtete Konflikte überschattet. Almut muss eine Entscheidung fällen.
Der irische Regisseur John Crowley („Boy A“, „Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“) begleitet Almut und Tobias verschachtelt und beseelt durch die Auf und Abs der tiefen Liebe. Die Sprünge durch die Zeiten nehmen der Geschichte etwas den tragischen Rahmen und bieten Gelegenheit, festgetretene Formeln und Pfade der in den vergangenen Jahren massiv wiederbelebten (Jugend-)Sterbedramen („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, „Gott, du kannst ein Arsch sein“) zu verlassen. Zwar treibt uns auch Crowley, der hier ein Drehbuch von Nick Payne verfilmt, Tränen in die Augen, und er scheut auch nicht Rührseligkeiten. Nur greift er dabei nicht auf die konventionelle Trigger-Klaviatur zurück. Ähnliches gelang ihm und seiner Hauptdarstellerin Saoirse Ronan bereits mit „Brooklyn“, der zurückhaltend und sanft berührte. Crowley drückt nicht auf die Tränendrüse, er lässt einfach die Tränen kullern. So auch hier, wenn er seinen Liebenden ganz freihändig durch ihre Schicksalsreise folgt, die im Angesicht des Todes das Leben und die Liebe feiert.
Crowley berührt zum einen mit seinen beiden Hauptdarstellerinnen: Florence Pugh („Midsommar“, „Little Women“) und Andrew Garfield („Alles, was wir geben mussten“, „Solange ich atme“) geleiten einander beeindruckend glaubwürdig durch Liebe und Krise, durch schüchterne Annäherung und schwere Entscheidung. Vor allem aber berührt Crowley mit authentischen Momenten: zum einen lebensnah im Drama, aber ebenso in komödiantischen Nuancen, die, selbst wenn sie mal over the top erscheinen, niemals ausscheren aus dem geerdeten Fundament – manchmal ist das Leben nun mal schlichtweg verrückt. „We live in time“ berührt lebensnah und überzeugt als Romanze mit seinem Charme, als Komödie mit seiner sprudelnden Leichtigkeit, als Drama mit den authentischen Paarkonflikten, als Tragödie durch die beseelte Auseinandersetzung mit dem nahenden Tod.
Crowley erzählt weniger seicht als andere Genrevertreter, ist aber zugleich nicht so schonungslos wie Andreas Dresens „Halt auf freier Strecke“. Er erspart uns das Schlimmste, und bannt das Unausweichliche dennoch reif und erwachsen. Ein emotionaler Ritt durch Liebe und Krise, durch fundamentale Entscheidung, aberwitzigem Ausnahmezustand und Spontansex. Frei und ungezwungen, charmant und wahrhaftig. Ganz wundervoll.
(Hartmut Ernst)
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