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Wir (2002)
Deutschland 2002, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Martin Gypkens
Darsteller: Oliver Bokern, Rike Schmid, Jannek Petri, Knut Berger, Karina Plachetka, Lilia Lehner, Brigitte Hobmeier, Sebastian Songin, Sebastian Reiß, Patrick Güldenberg, Lars Löllmann, Rüdiger Rudolph, Tom Jahn, Holger Handtke, Franziska Helmig

Berlin: Ein zehnköpfiger Freundeskreis junger Erwachsener lebt und liebt in der Hauptstadt und versucht, sich den Herausforderungen des Lebens und der Großstadt zu stellen. Beeindruckendes Portrait einer desorientierten Generation Florian ist Anfang zwanzig und zieht von Aachen nach Berlin, wo er sein Architekturstudium fortsetzen möchte. Er wohnt vorübergehend bei Pit, einem Freund aus Aachener Zeiten. Florian findet schnell Freunde und zieht in die WG von Anke und Judith. Derweil verliebt sich Pit in Carsten, der mit Judith eine offene Beziehung führt. Während Judith damit unglücklich ist und Anke überlegt, das Studium zu wechseln, pflegt Carstens Schwester Käthe One-Night-Stands und züchtet Schmetterlinge. Und Florian verliebt sich in die hübsche Metall-Künstlerin Petronella, die seit vier Jahren mit dem Filmstudenten Till liiert istÖ Der Reigen ist tatsächlich zunächst nicht nur für die Protagonisten, sondern auch für den Zuschauer etwas verwirrend: Einen Sommer lang begleitet Martin Gypkens in kurzen, schnell wechselnden Szenen seine zehn Twens auf Partys, im Atelier, im Park und daheim und entwickelt mit beschwingter Hand eine Komplexität an Charakteren und Beziehungen, die sich dann doch erstaunlich leicht erschließen lässt. Während die Freunde streiten, studieren, jobben, feiern, reisen, lieben und träumen, sind sie überfordert von den Herausforderungen, die Leben und Liebe stellen, sind hin und her gerissen zwischen der Angst vor der Gewohnheit und der Suche nach Stabilität: Sie stehen vor dem Moment, erwachsen zu werden, auch wenn noch nicht klar ist, wie das aussehen soll. Die Erkenntnis des Zwangs zur Zielgerichtetheit schlägt sich in Kompromissen oder Willkür nieder: Willkür in der Wahl des Studienfachs, Willkür in der Wahl des Partners, eine Willkür, die der eigenen Ohnmacht entspringt angesichts der Reichhaltigkeit des Angebots und dem Zwang ? und Unwillen - sich fest zu legen. Locker montiert schildert Gypkens das ziellose Treiben seiner Protagonisten und beflügelt sein Regiedebüt mit wundervollen Glücksmomenten: Die Handkamera betrachtet das Leben in Unordnung, das auch funkeln darf, die Musik grooved elektronisch laut im Club oder beschallt verträumt die 2-Raum-Wohnung. Der Verzicht auf Hochglanz lässt den Bildern einen erstaunlichen Realismus, die jungen Darsteller sind unverbraucht und spielen das Leben. Allen voran glänzt Oliver Bokern als Florian, der an der Großstadt reift.

(Hartmut Ernst)

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