Nach einem dreitägigen Festivalmarathon beginnt der letzte Tag von Bochum Total alles andere als in sonntäglicher Manier gediegen. Das Bochumer Impro-Theater „POTTpourri“ rockt eine Stunde lang als Marionette der Zuschauer die trailer-Wortschatzbühne. Das junge Ensemble ist sich für nichts zu schade und mixt auf Zuruf „Kabale&Liebe“, „Ein Sommernachtstraum“ und die Tätigkeit des gemeinen Bochumer Bratwurstverkäufers zu einem bunten Allerlei. Dabei kommt es zu interessanten Konstellationen: Das Märchen „Rapunzel“ erfährt eine Wiederauflage à la „Rapunzel – The Next Generation“, bei der Mission „Der wilde Pudel“ werden Bäuche gekrault und in Waden gebissen.
Höhepunkt ist allerdings die „Haushalts-WM“, die anders als bei der noch laufenden Fußball-WM bereits nach einigen Minuten eine haushohe Gewinnerin hat. Das Publikum ist gnadenlos und fordert die beiden Kontrahenten in den härtesten Disziplinen, „Toilette putzen“ und „Klopapierrolle abrollen“, heraus. Da spritzt der Dreck und es fliegen die imaginären Klobürsten, doch Frauen-Power sei Dank: Es kann am Ende nur Eine geben.
Ein Kontrast-Programm bietet der langhaarige Live-Literat Marek Firlej. Wie ein braver Germanistik-Student lässt er sich auf dem Bühnenrand nieder, um die Geschichte des „Kleinen Hobbits“ auf die Bierliebe der Ruhrregion umzuschreiben. Nur um kurz darauf seine akkurat in der Mitte gescheitelten, rot-schwarz-gefärbten Haare headbangend zu schmeißen.
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Firlej kann nicht nur mit dem Konjunktiv I und mit dem Konjunktiv II umgehen. Er beherrscht bis ins kleinste Detail sogar den Konjunktiv III, mit dessen Hilfe er über hässliche Menschen, das Verliebtsein und die Mythologie nachdenkt. Daraus entsteht die Metal-Version des „Kleinen Däumlings“ und eine wunderbar komische Ballade über Bochum und seine Grenzgebiete.
Den frühen Abend läuten dann zwei Bands ein, die so unterschiedlich sind wie Feuer und Wasser. Beide überzeugen nicht nur mit musikalischem Talent, sondern auch mit einer emotionalen Performance. Frank Bottke alias Ofeua lässt nur Akustikgitarre und seine Stimme wirken. Mit langen, rein durch sein Instrument getragenen Passagen, nimmt der Singer-Songwriter mit Stücken wie „Leer“, „Vergissmeinnicht“ oder „Summer Crossing“ sein Publikum mit auf eine Reise ins eigene Ich. Bei den kleinen Erzählungen von melancholischem Weltschmerz kann jeder Zuhörer schnell andocken. Die Lieder des ehemaligen Gitarristen der Punkband Kontakt 46 haben zudem Wiedererkennungswert. Durchgängig in Moll gespielt, besitzen sie einen oft disharmonischen Touch, das Punk-Erbe lässt grüßen.
Ganz anders treten Franzi Rockzz auf. Spritzig, energisch und mit einer kraftvollen Stimme löst die junge Sängerin zusammen mit Jonas Christians am Schlagzeug und Dustin Sieper am Bass Begeisterung aus. Die Songs der Wuppertalerin sind sehr persönlich, erzählen aus ihrem Leben und von der Tour. Ein Highlight von Bochum Total 2014.
Auch im Anschluss grüßt das Bergische Land mit dem Synth Wave Duo Mängelexemplar. Modisch wie musikalisch bestechen dabei (und stechen ist an dieser Stelle durchaus wörtlich zu nehmen) ein 80er Jahre Catsuit, blond toupierte Mähne und ein Zwischending aus Mo-Dos „Eins, Zwei, Polizei“ und Markus’ „Kleine Taschenlampe brenn“. Verfeinert wird der Sound mit einer ordentlichen Portion Synth Wave.
Klaus Märkert, Mitbegründer des legendären „Zwischenfall“ und früher Musikredakteur bei „Marabo“, ist auch als Schriftsteller tätig und vervollständigt Mängelexemplar zu einem skurrilen Trio. Märkert präsentiert sein Buch „Hab Sonne“, eine Reminiszenz an das Bochum der 80er Jahre und eine biographische Reise.
Dementsprechend hat sich das Publikum vor der trailer-Wortschatzbühne verändert. Die kleinen Familien und Jugendlichen vom Nachmittag sind ganz in schwarz gewandeten Jüngern gewichen, für die Märkert eine Kultfigur darstellen mag. Das Festival endet so mit einer kleinen Zeitreise in die Vergangenheit. Die vergangenen vier Tage Bochum Total sprechen aber dafür, dass Bochum auch 2014 einiges zu bieten hat.
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