Security-Personal blickt auf Festivals in der Regel ernst und diszipliniert. Augen und Aufmerksamkeit sind zu hundert Prozent auf die Sicherheit der Gäste gerichtet. So auch auf der trailer-Wortschatzbühne. Doch was soll der Verantwortliche in der neongelben Weste machen, wenn er mit dem Rücken zur Bühne in Publikumsgesichter blickt, die ständig loslachen bei dieser gemeinsamen, multimedialen Dia-Show von Oli Hilbring und Michael Holtschulte? Bei den Pointen kann sich der Kollege von der Security ein seriöses, verschmitztes Lachen nicht verkneifen. Als Oli Hilbring einen Cartoon aus seiner Reihe „Flacher Freitag“ präsentiert, schielt er mit auf den Bildschirm. Ein Arzt teilt dort einem Patienten mit, dass er an einer „südamerikanischen Augenkrankheit“ leide. Der Betroffene schreckt auf: „Oh Gott, ich Chile.“ Da prustet auch das Sicherheitspersonal gemeinsam mit dem Publikum los. Die Karikaturisten tragen zur ausgelassenen Stimmung bei diesem Festival bei: gemeinsam Cartoons gucken, gemeinsam lachen.
Die Cartoonbücher von Hilbring und Holtschulte erfreuen sich seit Jahren einer großen Öffentlichkeit. Egal, ob in Zeitschriften, im Internet oder in Fernseher-Auftritten wie etwa „TV Total“. Gern gesehene Gäste sind die beiden auch bei Bochum Total. Bereits 2016 hatten die Karikaturisten einen Auftritt auf der trailer-Wortschatzbühne unter dem Veranstaltungstitel „Zwei Stricher packen aus“. Auch bei der Neuauflage drängt sich das Publikum auf die Bänke vor der Bühne. Der Stil des Cartoonisten-Duos kommt an: derb, manchmal platt und vor allem respektlos. Hinzu kommen anarchischer Situations- oder Wortwitz. Da erklärt etwa in Holtschultes Cartoonbuch „Amoklauf in der Waldorfschule“ ein Museumsbesucher, solche grässlichen Vernissagen nur dafür zu nutzen, üppig vom Buffet abzugreifen und sich voll laufen zu lassen. „Und sie?“, fragt er die Person neben ihm. „Um meine Bilder auszustellen.“
Wie ein roter Faden ziehen sich bereits seit Jahren Motive durch die Cartoons der beiden. Bei Holtschulte ist es etwa der Sensenmann in der Reihe „Tot aber lustig“. Anders als die existenziellen Pointen eines Woody Allen lädt die Allegorie des Todes im Holtschulte-Kosmos allerdings zu schwarz-humorigen Streifzügen durch den Alltag ein. Da sitzen etwa zwei Schnitter abends auf der Bank, während am Himmel ein Flugzeug abstürzt. Darauf der eine Sensemann: „Du darfst Dir jetzt was wünschen.“
Das lässt auch der Cartoonisten-Kollege Hilbring nicht unkommentiert: „Das finde ich aber gewagt, jetzt, wo die Leute in den Urlaub fliegen. Gewagt sind aber auch die Motive von Hilbring. Denn der 49-Jährige ist nicht nur für Fußball-Comics bekannt. Für seine eigentümliche Interpretation der Rock- und Pop-Geschichte lässt Hilbring die Boxen dröhnen und die Bilderwelten dazu einblenden. Da lässt sich ein bierbäuchiger Manni das kühle Pils von seiner Gattin transportieren. Donna Summer singt nun: „She works hard for the Manni“. Tausende Facebook-Fans haben Holtschulte und Hilbring mittlerweile. Nach diesem Auftritt sollten es mehr sein. Zumindest steht so mancher Schlange für die Cartoon-Postkarten. Während der Sicherheitsdienst sich wieder um das branchenübliche, ernste Gesicht bemüht.
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