Bochum Total wartete 2017 mit einem hochkarätigen Programm an vier Tagen auf: Auf sechs Bühnen, an insgesamt zehn Locations, waren 117 Bands und Künstler zu sehen. Mittendrin: Die trailer-Wortschatzbühne. Etwas versteckt am rechten Rand der Meile Richtung riff, eingerahmt von zwei gelben Sonnenschirmen.
Ich sehe Leckereien, die aus Tüten fallen. Neben, vor, hinter mir schiebt sich einer nach dem anderen auf die Sitzbänke. Es ist das Finale des Science Slam. Marc, Darius und Sit – diese Slammer haben es bis in die Endrunde geschafft. Wie, das wissen sie selbst nicht genau. Assistentin Jasmin nimmt die Zeit oder mit anderen Worten „sagt den Slammern, dass sie endlich fertig werden sollen“ – so der enthusiastische Moderator.
Sit steigt als erster in den Ring. Eigentlich liebt er Bahnfahren. Sonst würde er nicht aus Essen jeden Tag nach Düsseldorf zur Uni pendeln. Immerhin hat er sich schon weiter heran gewagt. Vorher wohnte er noch in Velbert. Bei Sit dreht sich alles ums Mittelalter, genauer gesagt um Sex im Mittelalter. Seine Forderung: „Maria, pack’ deine Brüste ein.“ Wir werden später herausfinden, was er damit meint. So prüde, wie es immer dargestellt werde, sei das Mittelalter nur zu Beginn gewesen – im Hochmittelalter schon etwas freizügiger: „Wenn junge Adlige sich bücken, kann man fast immer in sie hineinschauen.“ Schamkapseln seien gängige Accessoires, um diesen Bereich des Körpers noch einmal richtig zu betonen. Ganz wichtig dennoch: die Sex-Vorschriften. Nicht von Freitag auf Samstag, nicht von Samstag auf Sonntag. Die Liste ist lang. „Wenn das eingehalten worden wäre, dann gäb’s einige Familien heute nicht mehr“, fasst Sit zusammen. Er rennt weiter durch einen Parcours aus Bildern von Penisbäumen mit Hoden, Darstellungen der Mutter Maria mit unverhüllter Brust in verschiedenen Posen. Gerade, wenn Maria auf dem gezeigten Bild einen Adligen an die Brust legt oder jemandem Milch in den Mund spritzt, soll das nur tiefe Erleuchtung symbolisieren. Das Publikum zweifelt.
Psychotherapeut Marc steigt ein in Runde zwei. Die Pointen setzt er griffig und spürbar. Er spricht aus seiner beruflichen Praxis, will erklären, warum Verhaltensänderungen so schwierig sind, egal, ob es um Essstörungen oder Depressionen geht. Um das näher auszuführen, nimmt er vorbildlich sich selbst als Beispiel und nicht etwa einen seiner Patienten. Dem Publikum verordnet er Schweigepflicht. Sein Grundkonflikt: Er möchte gerne gut aussehen, aber Currywurst schmeckt ihm einfach zu gut. Deutlich weist er auf den Fleck auf seiner Hose. In der Therapiesitzung auf der Bühne, bei der er zwischen zwei Stühlen hin und her wandert, spricht Marc zu Marc. „Sie ärgern sich darüber, dass sie Currywurst gegessen haben?“, fragt Therapeut Marc. „Ja, ich hab’ so viel dafür ausgegeben, à la Detlef D. Soost abzunehmen“, antwortet Patient Marc enttäuscht. Der Therapeut ist gewieft, darf er den Patienten jetzt nicht zur Currywurst zurückbringen, denn er weiß, was in der Vergangenheit liegt, kann er nicht ändern. Stattdessen will er versuchen, die starke Seite von den beiden, die in seinem Patienten kämpfen, ein bisschen abzumildern.
Letzte Runde: Ring frei für Darius. Der Apotheker hat zwei Vermutungen dafür, warum es rektale Arzneimittel gibt: „Entweder ist der Ursprung der pure Sadismus oder einer ist irgendwann mal extrem gut gefallen.“ Ob man ins alte Ägypten schaue, zu den Maya oder nach Europa, „bei Einläufen, da haben alle mitgemacht“. Inzwischen finde die Methode auch Anklang in der alternativen Medizin und im pornografischen Bereich. Er habe auch neue Ideen, um in neue Marktnischen reinzugehen: Kaffee rückwärts trinken mit „Starbutts Coffee“ zum Beispiel. Mit dem dicken Ende voran sozusagen. Darius sieht allerdings wenig Zukunft für das Unterfangen. Denn im Vergleich kommt oben herum deutlich mehr Koffein an als andersrum: „Das Rektum ist mit 1-2 Millilitern furztrocken.“
Erst muss das Lautstärkemessgerät getestet werden: 103,5 Dezibel erreicht das Publikum im Power-Modus. Dann wird für die Kandidaten geklatscht, gejubelt und gegrölt. Der Sieger heißt Darius, dicht gefolgt von Marc und Sit.
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