Aus den Gegebenheiten das Beste machen. – In der „Studio-Bühne“, einem von Ehrenamtlichen geführten Laientheater im Essener Stadtteil Kray-Leithe, wie es von dieser Art viele gibt im Ruhrgebiet, war das die vergangenen Jahre stets an der Tagesordnung.Seit 1990 haben sie in einer ehemaligen Grundschule ihr Domizil bezogen; seither bröckelt der Putz von den Wänden der städtischen „Schrottimmobilie“, wie der Kabachel liebevoll in der Presse und den Vorlagen des Stadtrates tituliert wird. Und nicht nur der Putz: es bröckelt an allen Ecken, an der Fassade und der Bausubstanz. Eine Bilanz des Träumens, des Bangens und des einfach Machens.
Mit über 140 Veranstaltungen im Jahr liefern die Laien der Studio-Bühne ein kulturell abwechslungsreiches und zugleich ambitioniertes Angebot für die Bevölkerung – nicht nur für jene aus dem Stadtteil, sondern weit darüber hinaus. Alleine in den ersten 25 Jahren stellen sie 125 Eigenproduktionen auf die Beine, helfen bei der Integration von Zuwanderern, engagieren sich in Schulprojekten sowie bilateral auf der internationalen Bühne. Oft müssen sie bangen, dass man ihnen den Laden nicht sprichwörtlich dichtmacht. So groß ist der Sanierungsstau. „Brandschutz“ lautet hier etwa das Wort des Grauens.Das Ensemble, immer mit einem Blick für die Lösung, die am Ende stehen soll, ja am Ende stehen muss, mag sie beim Blick auf die notorisch klamme Stadtkasse noch so surreal erscheinen: eine Generalsanierung, ein Theater, das mehr ist als eine Bruchbude.
Und so, über Jahre des Bangens abgehärtet, stets mit der Sorge um die jederzeit mögliche Schließung ihres Theaters, wagen sich die Laien gleichwohl auf die großen Bühnen der Welt. Die regelmäßige Teilnahme an renommierten nationalen Theatertagen wie etwa in Berlin, Paderborn, Hanau, Neuruppin, Rendsburg oder Lingen sowie zahlreiche Auftritte und Aktionen als Kulturbotschafter im internationalen Dialog zählen dazu. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 stellen sie ein internationales Pantomimentheater von und mit jungen Gehörlosen auf die Beine, mit einer Produktion in kurzen Geschichten über Liebe, Einsamkeit und die endlose Sehnsucht, sich selbst und die Welt zu verstehen. Mit dem TWINS-Projekt „Schluchten voller Schnee“ folgt einvon der Studio-Bühne pädagogisch geleitetes Schultheaterprojekt von und mit Schülerinnen und Schülern des städtischen Mädchengymnasiums und der Schule Nr. 1 aus Nischnij Nowgorod in Russland. Anhand authentischer Feldpostbriefe wird das Schicksal deutscher und russischer Soldaten in Stalingrad von 1942 eindrucksvoll miteinander verknüpft. Neben Gastspielen in Kasachstan, Finnland, England, Ungarn, der Slowakei, Frankreich, Dänemark, Österreich und der Schweiz darf ebenso wenig diegrenzüberschreitende Symbiose mit dem „Theater Vera“ in Nischnij Nowgorod, der russischen Partnerstadt Essens, unerwähnt bleiben. Mit ihm verbinden die Essener eine lange deutsch-russische Freundschaft. Im Ruhrgebiet verwurzelt, in der Welt zuhause – so zeigt sich das Laientheater stark und engagiert.
Dieses Engagement und die Strapazen werden 2016 belohnt, als der Stadtrat endlich handelt – und die Generalsanierung des Gebäudes in Kray-Leithe bewilligt. Am 24. Februar steht die Wiedereröffnung an. „Dielange erkämpfte Sanierung der Immobilie durch die Stadt ist nach knapp neun Monaten Bauzeit auf der Zielgeraden“, ahmen die Akteure auf.Dann heißt es wieder:Drama, Wahnsinn, Kinderlachen – Theater hautnah.
Die Furcht vor der Fantasie - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
brot-fuer-die-welt.de/themen/staatenlose | Die Organisation klärt über die Lage staatenloser Menschen auf.
unhcr.org | Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen setzt sich weltweit dafür ein, dass von Verfolgung bedrohte Menschen Asyl erhalten und unterstützt Maßnahmen gegen Staatenlosigkeit.
verfassungsblog.de/eine-grenze-ist-eine-grenze-ist-keine-grenze Das journalistisch-akademische Forum diskutiert unter anderem die Frage der Grenzen.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Realitätsschock
Intro - Traumtänzer
Geborene Weltbürger
Globale Bewegungsfreiheit als Grundrecht
Verkehr ohne Tote
Entschleunigung auf den Straßen – Europa-Vorbild: Schweden
„Investitionen auch für die ansässige Bevökerung“
Politologin Gesine Schwan über die europäische Flüchtlingspolitik
Immer in Bewegung
Teil 1: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Jenseits der Frauenrolle
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Europa verstehen
Teil 1: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Korallensterben hautnah
Teil 1: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Was keiner haben will
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Wasser für Generationen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Orientierung im Hilfesystem
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Hilfe nach dem Schock
Teil 2: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 3: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 1: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Forschung muss nicht quälen
Teil 2: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche
Ein neues Zuhause
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wuppertaler Tierschutzverein Pechpfoten
Nach dem Vertrauensbruch
Teil 1: Lokale Initiativen – Therapeuten-Netzwerk besserlieben berät auch zu offenen Beziehungen
Ankommen zu zweit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Start with a Friend knüpft Kontakte für die Einwanderungsgesellschaft
Einander Zeit schenken
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Nachbarschaftsheim Wuppertal
Vermögenssteuern für Klimaschutz
Teil 1: Lokale Initiativen – Co-Forschungsprojekt betont sozio-ökologische Herausforderung
Bereicherte Arbeit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Migration und Arbeitswelt
Betroffen und wehrhaft
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertals Solidaritätsnetzwerk