72 – für Hanna Hülsebus-Hitzler ist das eine besondere Zahl. Denn sie verkauft eine besondere Ware: Zigarren. 72 Prozent muss die Luftfeuchtigkeit in ihrem Geschäft „Premium Cigars“ in Bochum-Altenbochum betragen, sonst trocknen die Zigarren im begehbaren Humidor aus. Eigentlich ist der Beruf des Zigarren- oder Tabakhändlers ja für verdiente Ex-Fußballprofis reserviert. Hanna Hülsebus-Hitzler hat ihn jedoch in die Wiege gelegt bekommen: „Schon mein Großvater war Tabakwarengroßhändler.“ Heute ist sie die Einkäuferin. Ihre Zigarren stammen aus Kuba, der Dominikanischen Republik, Honduras oder Nicaragua – alles Orte, die sie selbst schon besucht hat. Über ihrem Schreibtisch hängt ein gerahmtes Poster von Che Guevara. Auch er raucht Zigarre. Schnell sind wir beim Thema. Denn die Zigarren bei „Premium Cigars“ sind zwar handgefertigt, aber ein Fair Trade-Siegel wie bei Kaffee oder Kakao findet man selten. „In allen Ländern, in denen ich war, arbeiten die Mitarbeiter in der Zigarrenproduktion unter besten Bedingungen“, meint Hanna Hülsebus-Hitzler. Die Handarbeit sei zwar mühselig, aber man könne es nicht mit der Massenproduktion von Kaffee vergleichen.
„Meine Raucher fühlen sich diskriminiert“, meint Hanna Hülsebus-Hitzler
Aber vielleicht gäbe es auch keinen Markt dafür. Schließlich sind die Zigarren in ihrem Laden schon ein kleiner Luxusartikel, dessen seltener Genuss nicht durch ein nagendes Gewissen getrübt sein will. „Zwischen vier und vierzig Euro“ kann man bei „Premium Cigars“ für eine Zigarre ausgeben. „Es geht darum, sich mit schönen, angenehmen Dingen zu befassen, die einem Freude bereiten“, beschreibt Hanna Hülsebus-Hitzler ihre Kunden. „Eine Zigarre benötigt Ruhe, Muße und Zeit, damit man sie überhaupt genießen kann.“ Mit jemandem, der aus Sucht regelmäßig raucht, wollen sich Zigarrenraucher nur ungern in einen Topf geworfen sehen. Aus diesem Grunde könnten diese auch wenig Verständnis für das geplante Rauchverbot aufbringen: „Meine Raucher fühlen sich diskriminiert.“ Vermutlich würde die Entwicklung dahin führen, dass man wieder vermehrt zu Hause oder in privaten Salons raucht – fast wie im 19. Jahrhundert. Aber ganz uneigennützig ist die Beschwerde nicht. Schließlich unterhält sie selbst eine Art Rauchersalon mit bis zu 10 Gästen. An jedem ersten Donnerstag ist „Smokerstreff“ bei „Premium Cigars“. Dann kann man sich bis abends bei Zigarren, Whisky und Rum treffen. Noch habe sich das Ordnungsamt nicht beschwert, aber man wisse ja nicht, was da noch kommen mag. Später am Nachmittag ist diese Angst jedoch verflogen. Die ersten Gäste treffen gegen fünf Uhr ein, wählen eine Zigarre aus dem Humidor und lassen sich auf den antiken Möbeln bei einem Glas Wasser oder Whisky nieder. Man redet über den Arztbesuch und die AOK oder den Ehrensold des Ex-Präsidenten – worüber man halt so spricht, wenn man sich einig sein möchte und Feierabend hat. Ein wenig schätzt der Zigarrenraucher dann halt doch am ehesten die Gemütlichkeit.
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