„C-a-f-f-e-e, trink nicht zu viel Kaffee, nicht für Kinder ist der Türkentrank, schlechte Nerven macht er, blass und krank, sei doch kein Muselmann, der es nicht lassen kann.“ Diesen Kanon kennen Sie nicht mehr? Dann entstammen Sie einer anderen Generation oder kommen aus einem Umfeld, das schon in frühen Zeiten ein Gespür für leicht rassistische Tendenzen hatte. In meiner Kinderzeit wurde dieser Kanon jedenfalls schamfrei gesungen, und wir spielten „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“. Und wenn man, leicht gewagt, Rot und Blau in der Kleidung kombiniert hat, dann kam ganz sicher der Spruch: „Rot und Blau, Polaksfrau!“ Meine Eltern waren ganz sicher nicht fremdenfeindlich. Wir pflegten ein sehr offenes Haus und hatten häufig Gäste aus aller Herren Länder. Trotzdem haben sich meine Eltern bei diesen Liedchen und Verslein nichts gedacht und wir Kinder dadurch erst recht nicht.
Spanier, Griechen und Portugiesen haben wenigstens an denselben Herrn Jesus geglaubt
Meinen ersten Kontakt mit einem echten Gastarbeiter hatte ich mit etwa drei Jahren. Er hieß Ivo, seinen Eltern gehörte die Cortina-Bar, die erste echt italienische Eisdiele, und wir konnten uns nicht verständigen. Daher mussten wir viel Kommunikationsersatzeis miteinander essen. Das war schön! Dann nahm die deutsche Wirtschaftswundergeschichte ihren Lauf, und es kamen die Spanier, die Griechen und die Portugiesen, alles noch verhältnismäßig leichte Kost für uns fremdenängstliche Deutsche, die haben wenigstens an denselben Herrn Jesus geglaubt. Bei den Türken wurde es dann ja schon schwieriger.
Meine eigenen Kinder durften natürlich diese ganzen tendenziösen Abzählreime und Liedchen nicht mehr singen, aus Negern waren längst Schwarze geworden und aus Ausländern Mitbürger mit Migrationshintergrund. Meine jüngste Tochter hatte in der Grundschule eine brasilianischstämmige Mitschülerin, mit der hat sie sehr gerne gespielt, und sie ging häufig mit ihr nach der Schule nach Hause. Unter anderem auch deswegen, weil sie dort mit Bergen von Süßigkeiten vollgestopft wurde. Wenn sie abends von dort zurückkam, stanken ihre Haare und ihre Klamotten total nach Rauch. Ich habe nichts gesagt, ich wollte nicht ausländerfeindlich wirken. Wenn meine größeren Töchter aus der Gesamtschule nach Hause kamen und sich über die ekelhaften Machoallüren ihrer türkischen, russischen, marokkanischen oder afrikanischen männlichen Mitschüler beschwerten, stöhnten sie immer über meine Diskussionsversuche. „Ja, Mama, wir wissen das ... Die haben eine andere Kultur, sind anders sozialisiert, blablabla. Trotzdem NERVT das einfach, wenn die einem ständig so widerliche Sprüche drücken!“ Tja, wo sie Recht haben. Aber politisch korrekt ist dieser Widerwille nicht. Als mir jetzt neulich in der Innenstadt meine Handtasche von einer Frau entrissen wurde, die optisch sehr deutlich einen, sagen wir mal, östlich wirkenden Migrationshintergrund hatte, ertappte ich mich eine Sekunde lang dabei, wie mir der Spruch „Zickzack Zigeunerpack“ durch den Kopf geisterte. Da habe ich mich so über mich selbst erschrocken, dass ich von dem Geld, das mir noch geblieben war, thailändisch essen gegangen bin. War lecker!
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