Auf dem Podium hat sich ein illustrer Kreis von Expert:innen zusammengefunden. Nebeneinander sitzen Carolin Behrmann, Professorin für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und Mitinitiatorin der Ringvorlesung, und Hermann Parzinger, Präsident der in Berlin ansässigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz – die zuletzt mit der heftigen Auseinandersetzung um eine Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria in der Öffentlichkeit stand. Moderatorin Carina Gödecke stellt gleichsam als Parzingers Antagonisten den nigerianischen Botschafter S. E. Yusuf Maitama Tuggar vor. Sein Vorgänger im Amt, S.E. Tunde Adeniran, hatte die Schirmherrschaft für den 2006 eröffneten Bereich „Afrikanische Kunst“ in der Situation Kunst übernommen; ob Tuggar selbst dem Ausstellungskorpus einen kritischen Blick gewidmet hatte, erfährt das Publikum nicht. Die Ausstellung im sogenannten „Afrikaraum“ konnte vor dem Podium zwar besichtigt werden, die Diskussion an diesem Abend wird sich allerdings weitgehend auf die Benin-Bronzen konzentrieren. Als Expert:innen für die Rückgabe von unrechtmäßig erworbener Kunst in der NS-Zeit sind die NRW-Ministerpräsidentin a.D. für Kultur und Wissenschaft Isabel Pfeiffer-Poensgen und der mit Kunst-, Urheber- und Restitutionsrecht befasste Jurist Peter Raue zugegen. Sie versuchen, die Erfahrungen um die Rückgabe von NS-Raubkunst für die Rückgabe von Kolonialkunst fruchtbar zu machen – weisen aber auch auf den unterschiedlichen Rechtsstatus von Kunstwerkens in unterschiedlichen Kontexten hin.
Verstimmt auf dem Podium?
Nicht nur die Diskussionen um das Humboldt-Forum haben die Debatten um Raubkunst in die Öffentlichkeit gerückt – keine öffentliche Sammlung kann sich der Verantwortung für die Herkunft von Ausstellungsstücken entziehen. Mit der ausgesprochenen Absicht, sich dieser Verantwortung zu stellen, geht auch das Auftaktpodium der Ringvorlesung an den Start, wie die Begrüßungsreden des RUB-Rektors Martin Paul und der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Situation Kunst, Silke von Berswordt-Wallrabe, betonen.
Dabei rückt die Provenienzforschung in den Mittelpunkt: Woher stammen die Werke, und wie können Museen und weitere Institutionen zusammenarbeiten, um Informationen über diese Herkunft zusammenzutragen? „Es gibt keinen Zweifel, dass die Benin-Bronzen kolonialer Herkunft sind“, bestätigt Hermann Parzinger, der, wie auch Botschafter Tuggar, eine Verstimmtheit zwischen den beiden abstreitet, die von der Moderation wiederholt suggeriert wird. Es werden Projekte zum Austausch und zur Kooperation Deutschlands mit Nigeria hervorgehoben, die die Situation Kunst gemeinsam mit nigerianischen Universitäten ins Leben gerufen hat.
Offene Fragen
Im Publikum bleiben Fragen offen. „Warum wurde über die Benin-Bronzen diskutiert, wobei doch sowieso klar ist, dass sie aus Strafexpeditionen stammen? Warum wurde nicht wenigstens kurz und glaubhaft über die Herkunft der Exponate im Afrikaraum hier gesprochen?“, äußert sich ein Student gegenüber trailer. Es zeigt sich allerdings auch, dass gerade die offenen Fragen Lust auf die Ringvorlesung gemacht haben, die ihren Abschluss im Februar haben wird. In weiteren Vorträgen wird es beispielsweise um die digitale Erfassung der Benin-Bronzen gehen, als Teil der Rückgabe, um Ansätzen postkolonialen Kuratierens, um die Washington Principles, die die Rückgabe von NS-Raubkunst regeln oder darum, wie sich Museen öffentlich der Auseinandersetzung mit Kolonialkunst stellen.
Ringvorlesung Res(t)ituieren: Provenienz, Sammlung, Verantwortung | 16., 23., 30.11., 14.12., 11., 18., 25.1., 1., 8.2. | Ruhr-Universität Bochum | www.kgi.ruhr-uni-bochum.de
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