Vom Knast in die Schlagzeilen ist es in Nordrhein-Westfalen nur ein kurzer Weg. Im Winter kam es in der JVA Bochum zu zwei Fluchtversuchen und zwei Ausbrüchen, beide Male wurden die Flüchtlinge nach kurzer Zeit gefasst. Das Echo war gewaltig. Justizminister Thomas Kutschaty suspendierte den Leiter der JVA, die Opposition beschrieb die JVA, in der eine „Fluchtkultur” (FDP) herrsche, als „löchrig wie ein Schweizer Käse” (CDU). Unter Schwarz-Gelb aber war die Situation nicht besser. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) stand wegen einer Reihe von Ausbrüchen und Missständen, die in dem Foltermord von Siegburg 2006 gipfelten, in der Kritik der rot-grünen Opposition. Möglich wurden diese harten Auseinandersetzungen über die Gefängnisse des Landes durch die Föderalismusreform von 2006. Seitdem wird der Strafvollzug in der Verantwortung der Bundesländer geregelt. „Strafvollzug kann leicht zum Spielball landespolitischer Auseinandersetzungen werden und ist damit anfälliger für tagespolitische Streitigkeiten geworden”, kommentiert der Greifswalder Kriminologie-Professor Frieder Dünkel diese Entwicklung. Dabei existieren abseits der gegenseitigen Schuldzuweisungen Probleme in den Gefängnissen, die sowohl von Schwarz-Geld als auch von Rot-Grün zögerlich angegangen wurden. Die Gefangenenrate von NRW ist die zweithöchste der Flächenstaaten, in Gelsenkirchen, Kleve und Wuppertal kam es wegen der Haftbedingungen zu Gefängnismeutereien. Die Arbeitsbedingungen in den Gefängnissen sind schlecht. 430.000 Überstunden haben die Justizbediensteten angesammelt, der Krankenstand liegt bei 10,45%. Auf Drängen der Aids-Hilfe kam es im Juni 2011 aber immerhin zu einer Anhörung vor dem Landtag, um das Zwangsouting HIV-infizierter Häftlinge zu beenden.
Parteiübergreifendes Schweigen zu Haft- und Arbeitsbedingungen im Strafvollzug
Im Wahlkampf spielen die Zustände in den Haftanstalten des Landes dennoch nur eine Nebenrolle. Die CDU wirft der Landesregierung in ihrem Wahlaufruf zwar eine „beispiellose Pannen- und Ausbruchsserie” vor, schweigt aber zu Haft- und Arbeitsbedingungen hinter den Gefängnismauern. Bei SPD und Grünen herrscht dagegen komplettes Schweigen. 2010 forderten die Grünen zwar noch die Umsetzung des „Resozialisierungsgebots” sowie Alternativen zum geschlossenen Jugendstrafvollzug. Eine Änderung z. B. des Jugendstrafvollzugsgesetzes gab es unter Rot-Grün aber nicht. Stattdessen werden ähnliche Forderungen mittlerweile von der Linkspartei gestellt, die mehr Prävention, eine zügigere Modernisierung der Haftanstalten und keine privaten Sicherheitsdienste in den JVAs anstrebt. Auch bei den liberalen Parteien – den Piraten und der FDP – finden weder die Probleme des Strafvollzugs noch die schwierigen Haftbedingungen Erwähnung im Wahlprogramm.
2012 herrscht also Business as usual: NRWs Gefängnisse schaffen es in die Medien, wenn es darum geht, lediglich das Düsseldorfer Personalkarussell zu bewegen.
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