Personenkommentar:
Rainer Pfuhler (53) ist Leiter der Abteilung
Unternehmenskommunikation und Marketing beim Marktforschungsinstitut
rheingold salon in Köln.
trailer: Herr Pfuhler, 2015 führte der rheingold salon zusammen mit dem rheingold institut eine Studie an vielen Männern durch. Worum ging es in dieser Studie?
Rainer Pfuhler: Für die Studie wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten nicht nur 1000 Männer befragt, sondern auch 50 tiefenpsychologische Interviews geführt. Das war die Basis, um dann anschließend die Studie zu quantifizieren und die Studie repräsentativ zu machen.
In der Studie ging es um das Selbstverständnis der Männer. Die Frage war, wie fühlt sich der Mann denn heute? Wie sieht er sich selbst in der Gesellschaft, wie sieht er sich selbst in Bezug auf Frauen.
War es für die Männer schwierig sich zu öffnen?
Personenkommentar:
Rainer Pfuhler (53) ist Leiter der Abteilung
Unternehmenskommunikation und Marketing beim Marktforschungsinstitut
rheingold salon in Köln.
Ja sehr schwierig. Ich habe viele der tiefenpsychologischen Interviews gesehen. Permanent stand die Frage im Raum was denn nun eigentlich typisch männlich sei. Es kamen Antworten wie: „Wir machen ja jetzt auch mehr im Haushalt, die Frauen machen jetzt ja Karriere und dabei wollen wir sie ja unterstützen.“ Es gab immer nur Aussagen was ist männlich in Abgrenzung zur Frau. Und es hat oft über eine Stunde gedauert bis mal jemand sagte: „Ich fände es total cool, wenn ich mir meinen Bierkasten zu Hause ins Wohnzimmer stellen, die Füße auf den Tisch legen und einfach mal ein Bier trinken könnte.“
Ist das gesellschaftliche Bild des Mannes so starr, dass er selbst eigentlich nicht mehr weiß wie er sein soll?
Ja, definitiv. Wir sagen sogar, dass der Mann nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Die Männer brauchen ganz ganz viel Zeit um zu überlegen, was sie eigentlich wollen. Wenn man sie fragt, was eigentlich ihre Rolle ist, da kommen keine Antworten.
Hat die Emanzipation die Männer in eine so schwierige Position gerückt?
Ja. Schauen Sie, die letzten dreißig bis vierzig Jahre waren die Frauen in der Diskussion in der Gesellschaft immer ganz weit vorne. Es ging um Frauen und Karriere, und wie das funktionieren könnte, Frauen in Aufsichtsräten, dann die Frauenquote. Die Frauen haben ihre Position eigentlich so langsam gefunden. Raus aus der Wohnung, raus aus der Küche, weg von den Kindern. Und es ist auch erlaubt Karriere zu machen. Bei allen Schwierigkeiten mit denen Frauen noch immer konfrontiert sind, die wir durchaus sehen und die die Männer auch sehen. Aber es gab keine gesellschaftliche Diskussion darüber, was eigentlich die Rolle des Mannes ist. Vielleicht so ein wenig nach dem Motto „Der Mann macht jetzt auch ein wenig was zu Hause“. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind, einen solchen Mann nimmt trotzdem in der Gesellschaft, so wie sie heute ist, niemand ernst.
Was empfinden Männer selbst als „typisch männlich“?
Ich muss lachen, denn da gerät man sehr schnell in Klischees. Die Männer brauchten lange um diese Frage zu beantworten. Sie nennen dann so Aktivitäten wie Motorrad fahren, Abenteuerurlaub machen oder einfach nur Unsinn machen. Es gab da eine Geschichte in diesem Bezug, wo jemand nachts einen Traktor kurzschloss und damit zwei Stunden über die Felder gefahren ist und das männlich fand. Ein anderer wünschte sich, eine bestellte Pizza einfach mal vor dem Fernseher aus dem Karton zu essen. Wenn man dann aber einlenkt, dass dies nicht alles ist, sondern nur einige Ausprägungen von Männlichkeit, dann wissen die Männer nicht weiter. Hier gibt es eine große Orientierungslosigkeit, weil sie gar nicht mehr wissen was männlich ist. Im Sinne von „Bin ich der große Verdiener zu Hause oder gibt es jetzt ein anderes Bild?“
Können denn Männer die Aspekte, die sie selbst als „typisch männlich“ empfinden, denn überhaupt ausleben?
Nein, sie könnten, das wäre durchaus drin, aber sie tun es nicht. In den Gesprächsrunden während der Studie kamen viele Ideen was denn männlich ist und man ausleben könnte, nachdem das Eis einmal gebrochen war. Aber danach kamen immer direkt solche Aussagen wie: „Das muss ich dann aber erst mit meiner Frau absprechen, ich weiß nicht ob sie das so gut findet.“ Es fehlt den Männer also auch der Mut sich hinzustellen und einfach zu sagen, ich finde etwas gut und mache das jetzt. Ein Beispiel war eine Motorradtour. Ein Abenteuer, ein Risiko eingehen. Die Männer hätten durchaus Spaß an einem Mehr an Risiko, daran, sich selbst mehr zu spüren. Aber am Ende scheuen sie dann doch oft davor zurück.
In der Studie wurden drei große Gruppen von Männertypen herausgearbeitet. Welche waren das?
Auf der einen Seite gab es die Versorger, die Durchsetzer. Das sind so die Typen die wir wahrscheinlich als machohaft bezeichnen würden. Diese Männer wählen auch bewusst Frauen, die einen Versorger oder Ernährer suchen. Bei denen sie einfach ihre Einstellung zum Mann sein durchsetzen können. Sie sagen an und die Frau macht, das gibt es durchaus noch, und diese Gruppe war nicht die kleinste Gruppe von Männern. Hier waren oft Männer vertreten, die Karriere machen. Dazu muss man beachten, dass die Vorstände noch immer Old Boys Networks sind. Da werden Männerklischees noch richtig gelebt. Die zweite Gruppe waren die Folgsamen, böse könnte man sagen, die Softies oder Schoßhunde. Das sind Männer, die sich zwar auf Diskussionen mit ihrem weiblichen Gegenüber einlassen, aber nicht die letzte Entscheidung treffen. Lange gab es ja das Thema metrosexuelle Männer und so weiter in den letzten Jahrzehnten. Aber bei allem Verständnis sind diese Männer nach wie vor gesellschaftlich nicht akzeptiert. Und viele Männer dieser Gruppe sagten auch, dass ihre Frauen sie so nicht wollten. Die letzte Gruppe waren die Verhandler. Diese Männer versuchen wirklich mit den Frauen auf Augenhöhe zu kommen. Diese Männer können ihre Positionen durchsetzen, nicht jede, aber teilweise. Es sind die Männer die wirklich versuchen etwas aus der Gesichtslosigkeit zu treten.
Welche Gruppe ist dabei am erfolgreichsten und glücklichsten?
Das kann man schlecht sagen. Was wir aber wissen ist, dass die Männer aus der dritten Gruppe, also die Verhandler, die „neuen Männer“ sind. Diese Gruppe wird auch von der zweiten Gruppe, den Folgsamen, stark beobachtet. Denn die Verhandler werden wohl die Gruppe sein, die in Zukunft eine Richtung angeben wird. Aber welche Gruppe die glücklichste ist, kann man schlecht sagen.
Was kann man den Männern heute wünschen?
Man sollte ihnen wünschen, dass sie sich mehr trauen. Dass sie aus diesen Rollen raustreten, dass sie etwas mehr Selbstbewusstsein entwickeln, und dass sie versuchen sich selbst als Mann zu begreifen, mit allen Stärken und Schwächen. Sie sollten dazu stehen. Und die meisten haben da ein großes Problem.
Müsste man nun eine Ära der Emanzipation der Männer einläuten?
Ja. Das zeigt auch die Studie. Die Männer bräuchten wirklich Hilfe, auch einen Anstoß von außen. Es wird Zeit, dass das Männerbild gesellschaftlich diskutiert wird, über die Frauen haben wir nun lange genug gesprochen.
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