Nicola
Uhde ist Biologin und ist beim BUND Bundesverband für Waldpolitik,
Moorschutz und internationale Biodiversitätspolitik zuständig.
trailer: Warum ist der Wald für uns so wichtig?
Nicola Uhde: Der Wald stellt saubere Luft und sauberes Wasser bereit. Er dient dem Klimaschutz weil er Kohlenstoff bindet und der Wasserspeicherung. Außerdem sind Wälder Lebensräume für viele Arten von Tieren, Pflanzen und Pilzen. Nicht zuletzt liefern Wälder, wenn sie forstwirtschaftlich genutzt werden, den umweltfreundlichen Baustoff Holz. Auch als Heizstoff wird Holz genutzt, da sind wir aber am Limit. Derzeit wird von dem im Wald geernteten Holz mehr als die Hälfte direkt verheizt, das ist keine sinnvolle Nutzung. Denn wir brauchen Holz als Ersatzstoff für Baustoffe wie Stahl, Beton oder Plastik. Denn diese Stoffe verursachen bei der Herstellung hohe CO2-Emissionen. Nutzen wir stattdessen Holz, so sparen wir die Emissionen ein. Wird aber viel Holz zum Heizen oder für die Stromerzeugung genutzt, dann macht das weder aus Naturschutz-, noch aus Klimaperspektive Sinn. Sinnvoll ist nur eine Kaskadennutzung, wo eventuell am Ende einer Reihe von stofflichen Nutzungen des Holzes dann das Heizen steht.
Holz wird außerdem zur Papierherstellung genutzt. In Deutschland beträgt der Verbrauch 250kg pro Kopf pro Jahr. Das ist zu viel. Wenn man bedenkt, dass manche unserer Schulbücher in China auf Tropenholz gedruckt und dann zu uns verschickt werden, ist das schon erschreckend. Um es positiv zu formulieren: Es gibt beim Papierverbrauch also jede Menge Einsparpotenzial.
In den 1980er Jahren war das Waldsterben ein großes Umweltthema. Geht es unserem Wald heute besser?
Nicola
Uhde ist Biologin und ist beim BUND Bundesverband für Waldpolitik,
Moorschutz und internationale Biodiversitätspolitik zuständig.
Es geht dem Wald definitiv besser als damals. In den 1980ern haben sich aufgrund des großen öffentlichen Aufschreis viele Dinge getan. Es wurden Katalysatoren in die Autos und Entschwefelungsfilter in die Industrieanlagen eingebaut. Dadurch wurden vor allen Dingen die Schwefelemissionen verringert. Wir haben nicht mehr so schlimme Schadstoffeinträge in den Wald wie früher, aber dennoch zu viel, vor allem Stickstoffe, und die schaden dem Wald. Wirklich gesund ist der Wald also nicht, aber er stirbt nicht mehr.
Welches sind die größten Probleme für den Wald heute?
Die Klimaerwärmung hat inzwischen eingesetzt, dadurch haben wir wesentlich häufiger Extremwetterereignisse, beispielsweise lange Dürreperioden, die dann eben die Gefahr von Waldbränden vor allem in Ostdeutschland bergen. Durch lange Dürreperioden geraten die Bäume in Trockenstress, sie werden anfälliger für Massenvermehrungen von Schädlingen wie Borkenkäfern. Es gibt mehr Starkregen, der so schnell nicht in den Boden eindringen kann. Dadurch kommt es zu Bodenerosionen. Auch starke Stürme kommen häufiger vor.
Zudem muss man festhalten, dass der Holzpreis sehr stark gestiegen ist. Das hat auch mit der Energiewende und der verstärkten energetischen Nutzung von Holz zu tun. Es wird lukrativ, auch Bäume zu ernten, die man vor einiger Zeit noch im Wald gelassen hätte. Ein Land oder eine Kommune, wo die Kassen klamm sind, oder auch Privatwaldbesitzer könnten so verleitet werden, doch ein wenig mehr Holz aus dem Wald zu holen, als gut ist.
Warum kann die Forstwirtschaft problematisch sein?
Forstwirtschaft kann problematisch werden, wenn die finanziellen Vorgaben so gestrickt sind, dass letztlich mehr Holz aus dem Wald geholt wird, als es dem Wald gut tut. Es ist nicht unbedingt der einzelne Förster der dahinter steht. In den Landeswäldern sind es beispielsweise die Finanzministerien, die mitreden, wie viel Geld der Wald einbringen muss. Ein Positivbeispiel ist der Stadtwald Göttingen. Der Wald wird ökologisch und nachhaltig bewirtschaftet, soll ein schöner Erholungsort für die Menschen sein. Die Stadt lässt sich das etwas kosten, sie nimmt in Kauf, dass der Wald kaum Profit abwirft. Dass öffentliche Wälder sonst überhaupt Profit abwerfen sollen, liegt an einzelnen Regierungen und Ministerien, die das bestimmen. Derzeit haben wir eine konstante Waldfläche von rund einem Drittel der Landesfläche. Das liegt auch daran, dass gepflanzte Fichten- und Kiefernmonokulturen als Wald gelten und nicht als Plantage. Zieht man die Monokulturen ab, hätten wir wesentlich weniger Wald. Wir vom BUND fordern auf zehn Prozent der Fläche Naturwälder, also Wälder, die nicht forstlich genutzt werden. Und das dauerhaft. Auf dem Rest der Fläche fordert der BUND ökologische Mindeststandards und eine möglichst naturverträgliche Bewirtschaftung. Die Bundesregierung hat sich 2007 fünf Prozent Naturwälder bis 2020 zum Ziel gesetzt. Naturwälder gibt es in Deutschland gerade mal auf 1,9% der Waldfläche.
Wie sollten die Forstwirte mit dem Wald richtig umgehen? Was ist erstrebenswert?
Erstrebenswert ist eine gute fachliche Praxis im Wald. Das heißt zum Beispiel, dass man nicht mit schwerem Gerät kreuz und quer im Wald herumfährt, sondern Rückegassen hat, die aber auch nicht alle zwanzig, sondern alle vierzig Meter liegen. Der Bodenschutz ist sehr wichtig. Es sollte möglichst mit leichtem Gerät im Wald gearbeitet werden, am besten sollte man die Bäume mit Pferden zu den Forststraßen bringen, das ist aber teurer und wird deshalb wenig gemacht, Biotopbäume, also Bäume in denen Höhlen sind, oder die abgebrochen sind, sollten stehen gelassen werden. Das ist für Tiere und andere Lebewesen sehr wichtig. Bei der Holzernte sollten die Kronen der Bäume im Wald verbleiben. Diese Praxis hat sich vor allem durch die Energiewende geändert, da nun viel Geld mit Hackschnitzeln und Pellets verdient werden kann. Nun wird viel sogenanntes Restholz aus dem Wald geholt. Dadurch gibt es dann weniger Totholz im Wald, welches für die Bodennährstoffnachhaltigkeit wichtig, und Lebensraum für viele Tiere, Pflanzen und Pilze ist.
Gibt es eine einheitliche gesetzliche Regelung?
Nein, die gibt es nicht. Es gibt das Bundeswaldgesetz, in dem geschrieben steht, dass der Wald ordnungsgemäß forstwirtschaftlich genutzt werden soll. Das heißt aber nicht viel mehr, als dass nicht alles abgeholzt werden kann. Ansonsten dürfen sie fast alles im Wald machen. Manche Praktiken verstoßen gegen das Bundesnaturschutzgesetz oder gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen gedacht ist. Aber sie verstoßen nicht gegen das Bundeswaldgesetz, das ja eigentlich zum Schutz des Waldes gedacht sein sollte. In einigen Bundesländern gibt es zum Glück schon bessere Waldgesetze. Wir vom BUND wünschen uns daher eine auf Bundesebene festgeschriebene Regelung. Aber das wird mit der derzeitigen Regierung kaum möglich sein.
Was können Verbraucher tun, um den Wald zu schützen?
Man sollte seinen Papier- und Holzverbrauch senken, zum Beispiel bei Möbeln ist zu überlegen, ob man Sachen nicht reparieren oder restaurieren kann, anstatt sie wegzuwerfen. Verbraucher sollten auf Siegel achten. Das FSC- und das Naturland-Siegel werden vom BUND als ökologisch nachhaltig und hochwertig gesehen. Aber beim FSC-Siegel ist zu empfehlen, dass man Holz aus Deutschland kauft, denn im Vergleich zu vielen unserer Nachbarländer schneidet die deutsche Forstwirtschaft wesentlich besser ab. Wer weniger Fleisch und tierische Produkte zu sich nimmt, hilft vor allem den Tropenwäldern, die aufgrund von Futtermittelanbau und Viehhaltung gerodet werden. Auch die Einsparung von Strom und Heizkosten hilft dem Wald. Bewegt man sich im heimischen Wald, sollte man seinen Müll mitnehmen und in Naturschutzgebieten nicht unbedingt querfeldein laufen. Sonst kann man eher wenig falsch machen. Wer aktiv etwas für die Wälder tun möchte, kann sich beim BUND in einer Kreis- oder Ortsgruppe engagieren.
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Aktiv im Thema
www.robinwood.de | NGO für Umwelt- und Naturschutz
www.bund.net | Bund für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland
www.sdw.de | Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
Thema im Juli: FREIHEIT – Menschenrecht oder Illusion?
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