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Was inspiriert die Herrn Künstler?: „Just life." Sebastian 23 moderierte die Slam- und Live-Painting-Show
Foto: Benjamin Trilling

Über den Dächern von Bochum

13. Juni 2014

Rooftop-Slam auf dem Boom Store am 10. Juni

Eigentlich passte das (Un)Wetter auch thematisch zum Slam. Die Wolken, die sich tags zuvor zusammenzogen, um die Infrastruktur der Region zu zerlegen, entbehrten nicht einer gewissen Sinnbildlichkeit: Dunkle Wolken sind es auch, die mit der Schließung des Opel-Werks über Bochum ziehen. Umso passender war es, dass diese nun verschwunden waren und Sonne wie Versen Platz machten. Denn für den Slam im Rahmen des Detroit-Projekts wurde ein sonniger Ort auserwählt: Das Skate-Deck auf dem Boom Store, eigentlich Treffpunkt der Skater-Szene, bot nun der Slam-Zunft eine Kulisse mit bestem Blick auf das Bermuda-Dreieck. Wo normalerweise die Züge Richtung Hbf vorbeirattern, drang nur noch leise das Gemurmel des Treibens an der Kneipenmeile nach oben, zwischendurch vermengte sich der urbane Lärm von Sirenen oder Hubschraubern mit dem Versfluss auf der Bühne und verblüffte auch den routinierten Moderator Sebastian 23: „Alter, ich habe noch nie unter einem Hubschrauber moderiert.“


Für die Macht der Worte: Slammerin Özge Cakirbey, Foto: Benjamin Trilling

Und Slam-Veteran Sebastian 23 gewann in seiner Anmoderation neben dem Wetter auch der Kulisse Bonmots ab: „Hat jemand ,Mad Max' gesehen – mit Mel Gibson in der Hauptrolle als Jesus?“ Trotz Donnerkuppel-Location war der Dichterwettstreit, wie er standardmäßig angekündigt wird, eine lockere Slam-Reihe ohne Jury- oder Publikumsvoting: Poetry-Slam-Meister Jan Philipp Zymny beschrieb ziemlich eigensinnig das so finstere Mittelalter, wo der feudale Zeitgenosse ob seiner epochalen Hässlichkeit nur im Dunkeln verkehrt und nicht einmal die inneren Werte kennt – die kamen ja erst mit der Renaissance. Wo „Ursulus der Kinderliebe“ Verteidigungsminister wird und eine Kinderarmee mobilisiert, die allerdings nach Sonnenuntergang nicht mehr raus darf. Was es trotz der satirischen Spitzen mit Zymnys geballtem Nonsens auf sich hat, beleuchtet der Slammer in einem metapoetischen Epilog: „Die Frage ist natürlich, was meint der Autor damit: Ich weiß es nicht. Das müssen spätere Deutschleistungskurse entscheiden. Ich musste ,Effi Briest' lesen, also müsst Ihr auch das lesen.“


Ein Blick auf das frisch gepinselte Kunstwerk: Die Slam-Gäste Jan Philipp Zymny und Theres Hahl, Foto: Benjamin Trilling

Die SlammerInnen stellten mit ihren Texten jedoch keinen Bezug zu dem her, was Sebastian 23 als „Detroit-Gerümpel“ verspottete. In einem Slam-Text suchte dieser nach lebensphilosophischen Imperativen: „Nutze den Tag“? „You only live“? Mit der Refrain-Zeile „One day, baby, we'll be old“ griff er immerhin einen intertextuellen Faden zum Julia-Engelmann-Youtube-,Hype' auf, der nicht nur das Publikum schmunzeln ließ, sondern auch den Duktus vieler Slam-Texte an diesem Abend zusammenfasste: Verspieltes Suchen nach Lebensrezepten, aufdringlicher Comedy-Ulk und Hymnen auf nächtliche Party-Rhythmen, die umso mehr den Takt verlieren, je rebellischer sie sich geben. Wer bezüglich des Detroit-Projekts eine „Fortsetzung“ der Politik mit Mitteln des Slams erwartet hatte, wurde enttäuscht. Zu bieder blieben auch die Slam-Mittel der jüngeren SlammerInnen. Die Themen Disco und Drogen akkumulierte Robin Isenberg zu einem Liebes-Schwulst, der mit seinen Versen den ästhetischen Gehalt von Popsongs entfacht, die einen in Supermärkten dazu nötigen, schnell zur Kasse durchzueilen. Erfrischend kritisch war dagegen die Poetin Özge Cakirbey, die versuchte, die „Macht der Worte“ gegen gesellschaftlichen Schönheits- und Konsumwahn in die Waagschale zu werfen. Schade nur, dass es an diesem Abend kein Versuch gab, die „Macht der Worte“ auf die soziale Thematik zu richten, um die das „Detroit-Projekt“ kreist. Über die OpelanerInnen ziehen immer noch dunkle Wolken. Während die Sonne auf das Hausdach des Boom Stores strahlte, gelang es dem Slam an diesem Abend nicht wirklich, leuchtende Funken zu schlagen.

Benjamin Trilling

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