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„In erster Linie wollte ich unterhalten“

09. April 2014

Sebastian 23 über „Theorie und Taxis“, seine Poetry-Slam-Agentur WortLautRuhr und das neue Solo-Programm „Popcorn im Kopfkino“ – Literatur in NRW 04/14

Eine Veröffentlichung jagt die nächste. Mit „Das Schiff auf dem Berg“, „Purer Unfug – Fotos von Quatsch und komische Texte“ und seinem soeben erschienenen ersten Roman „Theorie und Taxis – Auswege aus der Philosophie“ veröffentlichte Poetry Slammer Sebastian 23 drei Werke in sehr kurzer Zeit. Im Jahr 2012 gründete er mit einem Kollegen WortLautRuhr, eine Agentur, die regelmäßig im Ruhrgebiet stattfindende Poetry Slams veranstaltet und unter einem Dach vereint. Zudem steht sein neues Solo-Programm „Popcorn im Kopfkino“ in den Startlöchern. Grund genug für ein Gespräch mit dem poetischen Allround-Talent.

trailer: In letzter Zeit bist du schriftstellerisch sehr aktiv. Inwieweit ist gerade dein kürzlich erschienener erster Roman „Theorie und Taxis“ dein persönlicher Beweis dafür, dass ein Philosophiestudium doch zu mehr befähigt als Taxifahren?
Sebastian 23:
Nun, ich würde nicht sagen, dass ein Philosophie-Studium dazu befähigt, ein Taxi zu fahren. Ich kann mir ganz schlecht Straßennamen merken, dafür liegt mir das Schreiben. Aber in keinem Fall würde ich sagen, dass das eine besser oder „mehr“ als das andere ist.

Wie viel Sebastian steckt im Ich-Erzähler Paul Borchert?
Es gibt jede Menge Parallelen, allein schon, dass wir beide Philosophie studiert und dann die Lust auf die akademische Philosophie verloren haben. Allerdings bin ich da nicht ganz so verärgert und distanziert wie Paul. Dafür ist er lustiger als ich.

In deinem Roman wirkt die Philosophie eher interessant als abschreckend. Ist „Theorie und Taxis“ nicht vielmehr ein Eingang zur Philosophie als ein Ausweg?
Wenn man hinter die Fassade von Paul Borcherts Witzen über die verkopften Philosophen schaut, dann steckt da tatsächlich jemand, der gerne grübelt und sich den großen Fragen stellt und sich eben genau darum ärgert, dass die akademische Philosophie oft so weltfremd agiert. Allerdings ist das Buch höchstens ein Wink mit dem Zaunpfahl. Es gibt viel mehr Fragen als Antworten.

War es dein Anliegen, mit dem Roman die Leser für die Philosophie oder auch allgemein zu mehr kritischem Hinterfragen und Denken zu bewegen?
In erster Linie wollte ich unterhalten. Allerdings steckt schon ein bisschen mehr hinter dem Buch als eine reine Ansammlung von Gags. Wenn jemand die aufgeworfenen Fragen interessant findet und sich daraufhin näher damit auseinandersetzt, würde mich das natürlich freuen.

Richard David Precht hat bereits 2007 mit „Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“ einen Roman veröffentlicht, der „Theorie und Taxis“ von der Idee und Struktur her sehr ähnelt. Was unterscheidet, abgesehen vom humoristischen Aspekt, dein Werk von Prechts?
Richard David Precht hat viel schönere Haare als ich.

Wie kam es zu der Idee WortLautRuhr zu gründen?
Ich habe vor vielen Jahren angefangen, nicht nur bei Poetry Slams aufzutreten, sondern auch als Moderator und Veranstalter aktiv zu werden. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Veranstaltungen dazu und irgendwann war es der logische Schritt, gemeinsam mit meinem Kollegen Chris Wawrzyniak die Kräfte zu vereinen und in einer Agentur zu bündeln.

Wäre das Konzept von WortLautRuhr nicht auch für Großstädte wie Berlin sinnvoll, in denen ebenfalls regelmäßig unzählige Poetry Slams stattfinden?
Die Berliner Slam-Szene ist sehr lebendig und bringt immer wieder sehr gute SlammerInnen und grandiose Events hervor. Ich habe nicht den Eindruck, dass man da was ändern müsste. Was ich allerdings sagen kann ist, dass es in Hamburg eine ähnliche, aus der Slam-Szene gewachsene Agentur gibt (Kampf der Künste), die sehr gut funktioniert. Die Bedingungen sind von Stadt zu Stadt, von Region zu Region sehr unterschiedlich – in Berlin feiert Poetry Slam grade sein 20-jähriges Bestehen, wir sind erst bei neun Jahren!

WortLautRuhr dient auch als Ansprechpartner für Schulen im Zuge der Veranstaltung von Workshops oder Fortbildungen für Lehrer. Werden diese Angebote von den Schulen genutzt?
Ja, insbesondere für Schülerworkshops erhalten wir ziemlich viele Anfragen.

Mit welcher Erwartungshaltung begegnen dir sowohl Lehrer als auch Schüler bei diesen Workshops?
Die Erwartungshaltungen sind sehr unterschiedlich. Die Lehrer wünschen sich durch den Besuch eines Slammers im Unterricht einen Impuls für die Motivation der Schüler und einen neuen Zugang zum Unterrichtsstoff. Die Schüler sind meist dankbar für die Abwechslung und die Chance, selbst kreativ zu werden. Manchmal kommt es aber vor, dass erwartet wird, Poetry Slam sei eine Spielart des HipHop. Einmal bin ich sogar zu einem Breakdance-Battle herausgefordert worden. Das war dann eher lustig.

Wie frei bist du in der Gestaltung der Workshops? Gibt es Lehrer, die gewisse Vorgaben machen?
Es kommt schon vor, dass ich Workshops mit Themenvorgabe mache – dabei soll z.B. am Ende jeder Teilnehmer einen Text über das Internet verfasst haben. Ansonsten sind die Workshops sehr flexibel – es hängt stark davon ab, wie die Teilnehmer mitarbeiten und was ihre Interessen sind. So geht es in manchen Workshops fast nur um das Schreiben, in anderen fast nur um den Vortrag eines Textes.

Ein kreativer Umgang mit der Sprache im Sinne der Spoken-Word-Kultur bleibt im typischen Deutschunterricht auf der Strecke. Sollte eine solche Sensibilisierung für sprachliche Möglichkeiten nicht einen ebenso großen Stellenwert im Unterricht haben wie beispielsweise die Lektüre und Erörterung von Literatur?
Beides hat seine Berechtigung und der aktive und kreative Umgang mit der Sprache schafft ganz andere Zugänge, die dann auch bei der Lektüre und Interpretation von Literatur hilfreich sind. Aber in den letzten Jahren entwickelt sich das in eine gute Richtung.

Auf wie viel Philosophie muss sich das Publikum bei deinem nächsten Solo-Programm „Popcorn im Kopfkino“ gefasst machen?
In meinem Solo-Programm mische ich Slam-Texte und einige Lieder mit Stand-Up-Elementen und einigen Überraschungen. Die Philosophie schimmert immer mal wieder durch, ist aber nur ein kleiner Teil des Ganzen. Hauptsächlich geht es um den Spaß an der Sprache und die Filme, die man sich im Kopfkino so fährt.

Sebastian 23: „Theorie und Taxis – Auswege aus der Philosophie“ (inklusive E-Book)
Carlsen, 160 Seiten, 9,99

Solo-Programm: „Popcorn im Kopfkino“
NRW-Termine: 12.04., CubaNova, Münster | 06.05., Kulturwerkstatt, Paderborn | 07.05., Bunker Ulmenwall, Bielefeld | 21.05., zakk, Düsseldorf | 23.05., Pantheon, Bonn | weitere Termine im Herbst

www.sebastian23.com | www.wortlautruhr.de

Interview: Ingmar Burmann

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