Das trailer-ruhr-Magazin befragte einen der beiden Initiatoren, Sebastian Rabsahl, der sich als Sebastian 23 einen Namen in der Poetry-Slam-Szene gemacht hat, zur Slam-Kultur und zum Projekt WortLautRuhr, das im September 2012 an den Start ging.
trailer: Aus welchen Akteuren besteht WortLautRuhr neben Dir und Mitinitiator Chris Wawrzyniak? Versteht sich das Ganze lediglich als loses Netzwerk oder auch als Literatur- bzw. Künstlergruppe?
Sebastian Rabsahl: WortLautRuhr ist eine Agentur, die sich auf Slam- und Lesebühnenveranstaltungen spezialisiert hat und darüber hinaus Workshops und Fortbildungen anbietet. Zudem werden Künstler aus den genannten Bereichen vermittelt und Veranstaltungskonzepte entwickelt. In unserem Büro in Herne arbeiten derzeit fünf Leute, zudem gibt es einen großen Kreis an freien Mitarbeitern, vom Flyer-Verteiler über den Grafiker bis hin zum DJ und VJ. Und dann gibt es natürlich sehr, sehr viele KünstlerInnen, die wir regelmäßig auf unseren Bühnen und in den Workshops haben. Wir sind also keine Künstlergruppe im Sinne der „Gruppe 47“, aber dennoch auf die eine oder andere Weise Dreh- und Angelpunkt einer großen literarischen Bewegung der Gegenwart im Ruhrpott.
Wie würdet Ihr ‚Slam-Poetry‘ im Spannungsfeld der klassischen literarischen Genres (Prosa, Lyrik, Drama) verorten und insbesondere von Lyrik abgrenzen?
Gar nicht. Poetry Slam ist kein Genre im klassischen Sinn. Es ist die Mischung aller literarischen Spielarten mit dem performativen Element, dass der Autor mit seinem Text live auf der Bühne steht. Durch das Slam-Format hat der Vortrag literarischer Texte eine verstärkt konkurrenzbetonte Dimension erhalten: So werden Slams nicht selten anmoderiert, indem betont wird, wer jeweils gegen wen antritt und um den Sieg kämpft.
Betrachtet Ihr eine solche ‚Dynamisierung‘ als Bereicherung einer im weitesten Sinne literarischen Kultur oder gibt es hierbei aus Eurer Sicht auch problematische Aspekte?
Wer den Wettbewerb ernst nimmt und nicht als spielerischen Faktor begreift, hat ihn nicht verstanden. Natürlich handelt es sich um eine unterhaltsame Veranstaltung und es wird entsprechend Stimmung gemacht. Aber es gibt keinen Konkurrenzdruck – und niemand, der einigermaßen frisch im Kopf ist, würde glauben, dass es eine Aussage über die literarische Qualität eines Textes ist, ob damit bei einem Slam gewonnen oder verloren wurde. Bei Literaturwettbewerben ist es in der Regel eine Fachjury, die – mehr oder weniger fundierte – Entscheidungen trifft; beim Slam ist es meist eine zufällig ausgewählte Publikumsjury, die in den ersten Runden Urteile fällt, die manchen auch schon mal hart treffen können.
Findet Ihr den Zufallsfaktor bei der Juryauswahl angemessen?
Der Zufallsfaktor bei der Juryauswahl ist das einzige, was diese Form der Bewertung überhaupt möglich macht. So ist jedem klar, dass es sich eben auch um ein zufälliges Urteil und um einen Spaß handelt und nicht um mehr. Wer seinen Ehrgeiz nicht im Griff hat, der verwechselt das schon mal. Das ist dann bedauerlich, aber was will man machen. Es gibt auch Leute, die Blätter für Obst halten, weil diese ja auch an Bäumen wachsen.
Was ist aus Eurer Sicht der größte Reiz am Slam?
Der größte Reiz beim Poetry Slam ist die direkte Verbindung zwischen Künstler und Publikum. Die Tatsache, dass das Publikum in das Bühnengeschehen immer auch miteinbezogen wird. Die Lebendigkeit, die Texte im Vortrag haben können. Und, wenn man es denn augenzwinkernd so ausdrücken will, die Abwendung von modernem Schnickschnack wie Literatur in Schriftform, zurück zum seit Jahrtausenden etablierten kunstvoll gestalteten gesprochenen Wort.
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