Aus der Bochumer Literaturszene sind sie kaum wegzudenken: Zwei Brüder, die auf literarischen Pfaden wandeln – getrennt, aber jeder in seinem Genre mit zumindest regional beachtlichem Erfolg. Der „dunklere“ der beiden ist vielen ehemaligen „Zwischenfall“-Besuchern bekannt, schließlich zählt Klaus Märkert zu den Gründern und DJs der legendären Dark-Wave-Disco in Bochum-Langendreer. Seine ersten beiden Romane, „Hab Sonne“ und „Requiem für PacMan“ verarbeiten diese Erfahrungen autobiographisch, und auch die gemeinsamen Auftritte mit „The Fair Sex“-Sänger Myk Jung als „Schementhemen“ stehen in der Tradition des Düsteren. Bei Peter Märkert hingegen ist das dunkle Element eher in den Zwischentönen seiner Krimis zu finden.
Auf die Frage, wann der Impuls zum Schreiben kam, antworten die beiden recht unterschiedlich. Klaus Märkert führt dieses Interesse bis in seine Kindheit zurück, wenn auch mit Einschränkungen: „In der Schule habe ich begonnen, aber ich mochte das "G" und das "L" nicht besonders, die waren schwierig aufs Papier zu bringen, besonders solche Worte wie "intellektuell" mit seinen 4 "L's"...“ Ernsthafter wurde es bei ihm in den 1980er Jahren, als er begann, beim Marabo zu arbeiten. Für Peter Märkert kam die Initialzündung noch etwas später. Er bezeichnet zwar Bücher als stets wesentlichen Teil seines Lebens, doch vom Leser zum Schreiber wurde er, als er offenbar zu wenige Bücher auf die viel zitierte Insel mitgenommen hat: „Ich glaube, es war im Sommer 1998, als meiner Tochter Jenny und mir beim Urlaub auf Langeoog der Vorlesestoff ausging. So erfanden wir tagsüber Geschichten, die wir uns abends vorlasen. Daraus wurde ein kleiner philosophischer Roman, der im Geest-Verlag 2003 veröffentlicht wurde (‚Revolte in der Kastanienallee‘).“ Der Weg an die Öffentlichkeit war schon fast eine Selbstverständlichkeit: „Der Drang zu schreiben hielt an, der Inhalt verlagerte sich auf meinen Beruf als Bewährungshelfer bei der Justiz, der genügend Vorlagen – gerade für Kriminalstorys - bietet. Und außerdem: Wer etwas transportieren möchte (in meinem Fall Täter- und Opferperspektiven), möchte auch gelesen werden.“
Ich fahr Taxi
Doch nicht nur die Literatur verbindet die Brüder: In ihren Biographien finden sich gemeinsame Stationen, als Taxifahrer oder als Sozialarbeiter. „Klaus und ich haben schon als Kinder sehr viel Zeit miteinander verbracht“ erläutert Peter, „uns über Bücher ausgetauscht, über Musik, wir haben sogar beim Fußballverein SV Waldesrand zusammen in der Jugendmannschaft gespielt. Von daher ist ein gewisser Einfluss des einen auf den anderen abzuleiten.“ „Peter fing an mit beidem, Taxi und Sozialarbeit“, stellt Klaus die Richtung des Einflusses klar, „beim Taxi war ich zu 100% beeinflusst, als ich die unkomplizierte Art des Geldverdienens bei meinen Bruder beobachtete. Bei der Sozialarbeit war es vielleicht zu 20%, eben weil Peter damit angefangen hatte, allerdings waren meine Beweggründe andere.“
Blick ins Regal
Beim Schreiben selbst beschreiten die beiden sehr unterschiedliche Wege. Während Peter Märkert seine beruflichen Erfahrungen zu sozialkritisch angehauchten Krimis mit Lokalkolorit verarbeitet, fühlt sich Klaus Märkert nach den autobiographischen Szene-Romanen dem schwarzen, makabren Humor verpflichtet. „Die gewählten Genres entstanden mehr aus unserem Lebenshintergrund“, stellt Peter stellt, dass es sich um keine bewusste Abgrenzung handelt: „Der philosophische Roman mit meiner Tochter, die späteren Romane aus meiner Arbeit als Bewährungshelfer. Die Romane von Klaus spiegeln in humorvoller Weise sein Leben als Diskothekenbetreiber und DJ wieder, ebenso den Herzinfarkt in seinen frühen Jahren, seine Geschichten verweisen in besonderem Maße auf den ganz normalen Wahnsinn des Menschen der modernen Zeit.“
Klaus relativiert die autobiographische Beeinflussung und sieht seine Inspiration vielmehr in seinem Bücherregal: „Das Schreiben orientierte sich – wenn auch nicht bewusst - sicher an literarischen Vorbildern. Meine Begeisterung für Literatur wurde geweckt von E. A. Poe und den Goscinny Büchern vom ‚Kleinen Nick’, später folgten Kafka, Bukowski, Fallada, Henry Miller, Knut Hamsuns ‚Hunger’, Roald Dahl und Woody Allen und noch später dann Javier Marias, Michel Houellebecq, Martin Amis, Jörg Fauser u.v.a. zuletzt Andreas Altmann ‚Das Scheißleben meines Vaters…‘“ – Auch sein Bruder lässt sich bereitwillig in den Bücherschrank blicken: „Lieblingsautoren gibt es so viele… bei mir allen voran Dostojewski … was hat er für Charaktere geschaffen: Raskolnikow, Rogoschin, Myschkin, Ippolit, Stawrogin, die Brüder Karamasow mit ihren ewigen Charakteren. Natürlich Tolstoi, Bulgakow, Puschkin, Gogol, ich schwärme für die russischen Autoren, aber natürlich Hesse, Remarque, Hemingway, heutige Autoren, ich kann sie nicht alle aufzählen: Stephen King, Stieg Larsson, leider viel zu früh verstorben, überhaupt die Schweden... auch Sebastian Fitzek und andere. Inge Löhnig und Nele Neuhaus. Bei der Vielzahl an Neuerscheinungen kann ich nicht alle entdecken, das betrübt mich. So beschleicht mich bei jedem Autor, den ich nenne, das Empfinden, andere zu vergessen… was wäre die Welt ohne Sartre, ohne Camus, ohne ‚Jim Knopf’, ‚Momo’, ‚die unendliche Geschichte’ von Ende, ohne ‚Harry Potter’… und den ‚kleinen Prinzen’. Ohne Jan Costin Wagner, dessen Krimis ich verschlinge…“ Bei dieser Schwärmerei spürt man, dass die Märkert-Brüder keine Autoren sind, denen ihr eigenes Schreiben genug ist, hier sitzen leidenschaftliche Leser an den Tastaturen. Da wundert es nicht, dass sie sich ihre Texte gegenseitig zuschicken und sie miteinander diskutieren. Hierfür ist eine Offenheit und Ehrlichkeit vonnöten, die auch in Autorengruppen von Vorteil ist. So sind beide auch Mitglieder der „Bochumer Literaten“, die zum Textgespräch, aber auch gemeinsamen Lesungen zusammenfinden.
Bochum, ich schreib in Dir
Auf die Bochumer Literaturszene angesprochen äußern sich beide sehr positiv. „Bochum ist gut aufgestellt“, bilanziert Peter, „Es gibt sowohl im Krimibereich als auch in der Pop-Literatur riesige Talente, es gibt auch Buchhandlungen, die Bochumer Autoren fördern. Hier möchte ich besonders die Buchhandlung Gimmerthal in Bochum-Langendreer herausstellen mit ihrer monatlichen Lesebühne im Cafe Cheese und dem Aufbau der Bücherbörse in der Innenstadt mit dem Brockmeyer-Verlag. Ein solches Engagement wäre auch in anderen Stadtteilen wünschenswert.“ An Auftrittsmöglichkeiten zählt sein Bruder noch Biercafé, Rotunde, und Hardys auf und weist darauf hin, dass ab April auch monatlich im Haus Oveney an der Ruhr Lesungen stattfinden werden. Einen engen Zusammenhalt der Szene sieht er wiederum nicht: „Vernetzung gibt es sporadisch, ist bisweilen aber schwierig umzusetzen, liegt wohl in der Natur der Sache, Autoren sind in der Regel Einzelkämpfer, da stößt eine Zusammenarbeit schnell an Grenzen. Schubladendenken spielt auch eine Rolle bei der Schwierigkeit sich zu vernetzen.“
Welche Rolle spielen also Bochum und das Ruhrgebiet für ihr Schreiben? „Ich lebe gerne in Bochum“, bekennt Peter, „wo gibt es sonst so einen herrlichen Park wie das Wiesental in unmittelbarer Nähe zum Schauspielhaus und dem Bermudadreieck. Das multikulturelle Angebot an Restaurants ist herrlich, die Menschen begegnen einem offen, Grönemeyer besingt das Herz der Bochumer, der VfL sorgt für Aufregung. Schon zum Frühstück backt Schmidtmeier super Brötchen.“ Für seine Bücher ist die Stadt letztlich jedoch zweitrangig: „Meine Krimis könnten allerdings auch in anderen Städten spielen, doch in Bochum kenne ich mich durch das Taxifahren während des Studiums aus. Wichtiger für meine Krimis sind meine beruflichen Erfahrungen.“ Auch Klaus bekräftigt, wie wichtig Bochum für ihn ist. Lesungen und Buchpräsentationen sind vor Ort leichter durchzuführen als z.B. in Berlin – und nicht zuletzt spielen seine beiden autobiographischen Roman im Revier.
Ständig auf Tour
Klaus Märkert ist nicht nur als Autor präsent, sondern mischt aktiv in der Organisation zahlreicher Lesebühnen mit. Wer im Ruhrgebiet nach diesem literarischen Format sucht, stößt früher oder später zwangsläufig auf seinen Namen. Auf die Frage, ob solch ein Engagement neben dem Schreiben nicht auch sehr kräftezehrend ist, gibt er zu: „Die Frage habe ich mir auch schon häufig gestellt. Negativ formuliert: Ich fühle mich gezwungen, so vorzugehen. Eine Art Vertreter fürs eigene Buch. Ich schreibe keine Krimis und habe halt nicht die Kontakte wie (aktuelles Beispiel) Frank Goosen, dessen neuer Roman eine ganze Seite samstags im Kulturteil der WAZ kriegt. Ich kann froh sein über eine kleine Dienstags-Spalte auf der dritten Seite, neben dem Kreuzworträtsel. Das ist nun einmal der Unterschied, ob man in einem Groß- oder Kleinverlag veröffentlicht wird... - Das Positive der Lese-Aktivitäten: Der Austausch mit Autoren aus anderen Städten (ohne Lesebühnen hätte ich wohl keine Chance, vor ausreichend Publikum etwa in Leipzig, Berlin oder Köln zu lesen), Bestätigung für meine Bücher und natürlich Buchverkäufe und so bleibe ich für den “Kleinverleger” ein attraktiver Autor und muss mir im Hinblick auf weitere Veröffentlichungen keine Sorgen machen. Allerdings macht mir das Drumherum, also das Organisatorische, tatsächlich zu schaffen. Letztlich geht es ja zu Lasten meiner Schreibzeit. Ich vertraue einfach darauf, dass sich mein Einsatz irgendwann auszahlt, und ich die Lesebühnen-Projekte reduzieren kann, ohne dass der Buchverkauf großartig darunter leidet. Die Geschichte vom begnadeten Autor, der zurückgezogen lebt und daheim feinsinnig Brillantes zu Papier bringt, um das sich die Verlage wenig später reißen, ist jedenfalls so ausgeträumt wie die Story vom Tellerwäscher zum Millionär.“ Nichtsdestotrotz befindet sich Klaus Märkert in der Arbeit für zwei neue Buchprojekte, von denen mindestens eines noch in diesem Jahr fertig gestellt sein soll. Zuvor erscheint aber Ende Februar eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage von „Hab Sonne“ im Hagener Eisenhut Verlag.
Aktuelle Titel:
Klaus Märkert: Hab‘ Sonne | Eisenhut Verlag | 250 Seiten | 12,50 €
Peter Märkert: Schweigen ist Tod | Brockmeyer Verlag | 224 Seiten | 12,90 €
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