Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Frankenstein“
Foto: Martin Kaufhold

Wehe wenn Monster denken

24. September 2015

Gustav Rueb inszeniert tollen„Frankenstein“ in Essen – Theater Ruhr 10/15

Klatsch. Der nackte Körper fällt erstaunlich tief auf die Bühne des Essener Grillo-Theaters. Gerade noch war er Teil eines bizarren Leichenschauhauses, jetzt wird er in die feindliche Welt zurückgeworfen. Als Monster, „genäht“ von Victor Frankenstein, verstoßen von der Umwelt, gequält von den Menschen, macht es sich auf den Weg nach den Antworten auf seine „Warums?“ zu suchen.

Gustav Rueb inszeniert die Frankenstein-Fassung des britischen Dramatikers Nick Dear, dicht, fordernd, mit ein bisschen „Bladerunner“-Atmosphäre und Dauersoundspur. Eine Drehbühne wird zum Angelpunkt der Handlung, zur Zwischenwelt von Labor, Natur und Wohnbehausung. Denn eigentlich choreografiert Rueb dort zwei Monster durch die dunkle Welt. Leitern führen überall zum Himmel, drei junge Homunkuli treiben ihr Unwesen, dann beherrscht das Wesen die Bühne. Ein grandioser Axel Holst beginnt mit seinem Spitzentanz des Grauens. Tapsig wie ein junger Hund stolpert er ins eigene Bewusstsein. Angst erhöht dabei die Wahrnehmungsreize, die Einsamkeit potenziert die Gewaltbereitschaft. Bei einem Blinden lernt er vom Paradies und der Erbsünde, nebenbei lesen und schreiben – und denken. Unfreiwillig wird er dort auch zum brutalen Mörder, auch mit philosophischem Background. Das verlorene Paradies muss wiedergefunden werden und das heißt, eine Frau muss her, Victor Frankenstein noch einmal ran. Den fasziniert die Möglichkeit, ein perfektes Wesen zu schaffen, mit perfektem Genom, Wissenschaft von der Natur emanzipiert also.

Die Cyborgs aus „Bladerunner“ (USA1982) sind also doch erstrebenswert, wenn sie nicht wie Axel Holsts Rolle aussehen. Rueb lässt die Welt erneut kreisen. Was folgt, ist ein Drum’n’bass-Massaker auf dem Frankensteinschen OP-Tisch und das kurze Leben der schicken Braut. Das Wesen bleibt das einzige seiner Art und es wird auch optisch immer menschlicher, also nicht nur schlauer und böser. Die natürliche Ordnung ist zerstört. Als das Wesen final Frankensteins eigene Braut vergewaltigt und tötet, kommt es zum letzten Showdown der zwei Monster in der Arktis. Wer wohl zuerst am Magnetpol ist?

„Frankenstein“ | R: Gustav Rueb | So 4.10. 19 Uhr, Mi 21.10., Fr 6.11. je 19.30 Uhr | Grillo Theater, Essen | 0201 812 26 00

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

„Der ganze Essener Norden soll verschwinden“
Regisseur Volker Lösch über sein Theaterstück „AufRuhr“ – Premiere 12/21

Drei wilde C´s im Schnee
„After Midnight“ im Essener Grillo – Theater Ruhr 02/20

Das rituelle Begräbnis von Visionen
„Proletenpassion“ zum Ende des Bergbaus in Essen – Auftritt 06/18

Bildersturm ohne Wolken
„Der Fall der Götter“ in Essen – Theater Ruhr 05/18

„Der ewige Konflikt zwischen Mensch und Maschine“
Nils Voges zur Inszenierung von „Metropolis“ im Theater Essen – Premiere 02/18

Der Maulwurf aus Bottrop
„Jupp – Ein Maulwurf auf dem Weg nach oben“ in Essen – Theater Ruhr 12/17

Yes, we can
„Anatevka“ in Bonn und „My Fair Lady“ in Essen – Musical in NRW 05/16

Polnische Raps und verspielter Jazz
Schauspieler Mateusz Dopieralski rappte in der Heldenbar in Essen – Musik 01/16

Polnische Melancholie auf trockenen Loops
Polnischer HipHop, begleitet von Jazz-Musikern am 27.1. in der Heldenbar Essen

Das Laboratorium Mensch
2016: Die bedrohte Kreatur an den Theatern – Prolog 01/16

Ein Individuum ist purer Luxus
„Caspar Hauser“ in Essener Studio – Theater Ruhr 01/16

Böse die Glocken mal klingen
Nicht gerade Besinnliches zur Weihnachtszeit, aber Kult – Prolog 12/15

Theater Ruhr.

HINWEIS