Ist Ehrlichkeit mit Erfolg vereinbar? Taugt die Familie als Modell gemeinschaftlichen Handelns? In Deutschland, dem Land der Familienunternehmen, sind diese Fragen heute aktueller denn je. Alan Ayckbourn versammelt in der Gesellschaftssatire „Familiengeschäfte" die arttypischen britischen Komödienfiguren, die den armen, natürlich eingeheirateten Verwandten Jack (Michael Schütz) von einer kapitalistischen Zwickmühle in die nächste treiben. Regisseur Marius von Mayenburg hat sich der pfiffigen Familie in Bochum angenommen.
In Oberhausen geht zwar auch um eine Familie, aber eher mittelbar, aber doch mit finalem familiärem Ende. Da ist die minderjährige Lulu, die erst unfreiwillig zum Gegenstand jeglicher Männerbegierde wird, sich dann aber in den Sümpfen der damaligen Gesellschaft behaupten lernt – und wie. Eine „Monstre-Tragödie" nannte Wedekind seine 1894 vollendete Urfassung der „Lulu", deren Aufführung im wilhelminischen Deutschland undenkbar war. Die Story hat immer wieder Musiker zu Vertonungen inspiriert, von Alban Berg bis Lou Reed. Bei der englischen Theaterband Tiger Lillies wird die „Monstre-Tragödie" zur „Mörderballade": „Lulu – A Murder Ballad" wurde von der im nordenglischen Leeds ansässigen Opera North in Auftrag gegeben und dort 2014 uraufgeführt. Regie führt Stef Lernous (siehe Interview), der in seinem Theater „Abattoir fermé" („geschlossener Schlachthof") in Mechelen in seinen Arbeiten mit zugleich raffinierten wie einfachen Theatermitteln an Horrorfilme erinnernde Atmosphären und betörende, verstörende Bilderwelten kreiert.
Zeitgenössischen Horror sieht man dagegen in Essen. Dort gibt es einen, der die Welt nicht mehr versteht: Bernard ist entsetzt: Alle sehen aus wie er selbst, wie eineiige Zwillinge – völlig identisch! Eine Klinik muss sein genetisches Material gestohlen haben, um illegal Klone von ihm herzustellen. Irgendein wahnsinniger Wissenschaftler muss ihn zum ahnungslosen Testobjekt seines neuesten geistesgestörten Projekts gemacht haben. Aber ganz so einfach ist die Geschichte nicht: Caryl Churchills Stück „Die Kopien" spielt mit dem kompletten Szenario der gentechnologischen Vervielfältigung. Zunächst scheinbar als Vater-Sohn-Drama angelegt, stellt das Stück alle Prinzipien, auf denen unsere Erzählungen von Familie, Nachkommenschaft und Individualität beruhen, in Frage und untersucht detailliert die möglichen Konsequenzen, die Klonen für ganz reale menschliche Beziehungen hätte. Was genau bedeutet es, wenn man weiß, dass ein anderes „ich" existiert? Und das ist keine Dystopie. Die Technologien zum Klonen eines menschlichen Embryos aus normalen Körperzellen sind in den Laboratorien des 21. Jahrhunderts längst vorhanden und in Gebrauch. Noch werden die so erzeugten Embryonen lediglich in ihre Stammzellen zerlegt, um Ersatzgewebe wachsen zu lassen. Keine Kopie eines Menschen also, sondern Material für dessen Reparatur. Im Ernst? Alle glauben doch auch an den geklonten Weihnachtsmann.
„Familiengeschäfte" | Sa 30.1.(P) | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
„Lulu. Eine Mörderballade" | Fr 15.1.(P) | Theater Oberhausen | 0208 857 81 84
„Die Kopien" | Mi 3.2.(P) | Grillo Essen | 0201 812 26 00
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