Das war’s mit den Geschenken. Hatte sich das Schauspiel Dortmund bis vor kurzem noch gefreut, ab Dezember den Weihnachtsbaum wieder am Hiltropwall aufzubauen, ist jetzt erst mal Frust angesagt. Als sich kürzlich beim Umbau von Werkstätten und Magazin eine große Staubwolke bildete, stand in dicken Lettern „ASBEST“ als Menetekel am Himmel der Sanierer. Die Ergebnisse der Untersuchung waren zwar nicht so schlimm wie befürchtet. Doch dass Weihnachten (und auch der Kostenrahmen) nicht zu halten sein würde, war der Truppe um Schauspielchef Kay Voges schnell klar. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, hieß es kurz darauf sarkastisch auf dem Schauspielhaus-Blog. Die „Borderline-Prozession“ darf nun also noch mindestens bis Juli 2017 ihre Runden durch den Megastore drehen.
Mit einem Sternmarsch als Anspielung auf das eigene Logo hatte das Schauspiel Dortmund im Februar seine neue Spielstätte in Besitz genommen. Mitarbeiter vom Ensemble bis zur Technik waren vom Hiltropwall nach Hörde gezogen, mal mehr, mal weniger kostümiert, um sich in Dortmunds neuem Gewerbeparadies Phoenix West einzurichten. Dort übernahm das inzwischen überregional wahrgenommene Schauspiel von einem anderen für Dortmund imagebildenden Unternehmen zwei riesigen Hallen. Im früheren Fanshop des BVB, kurz Megastore genannt, richtete man sich ein. Dass die variablen Räume der auf multiperspektivische Wahrnehmung, Simultaneität und medialen Overkill angelegte Theaterkonzeption von Kay Voges entgegenkommen würden, war aber auch bald klar. Trotz beschränkter Zuschauerzahl an den inzwischen drei Spielstätten zeigte beispielsweise die erwähnte „Borderline-Prozession“ mit ihrem Villenaufbau, den streunenden Zuschauern, den fahrenden Kameradollys, welche Möglichkeiten die Ausweichspielstätte bietet.
Das Sanierungs-Debakel verleiht den Dortmundern allerdings kein Alleinstellungsmerkmal in NRW. In Köln verzögert sich die Sanierung des Schauspielhauses auf unbestimmte Zeit; in Düsseldorf konnte der neue Intendant Wilfried Schulz sein Stammhaus ebenfalls nicht wie vereinbart beziehen und spielt in einem Zelt auf der Kö; Kay Voges in Dortmund hat immerhin einen konkreten Termin vor Augen, das prädestiniert in gegenüber seinen Kollegen an der Rheinschiene. Ist das nun eine konzertierte Aktion? Hat die Bauindustrie zur großen Verschwörung gegen die Kunst aufgerufen oder sind kommunale Bauverwaltungen mit mythischer Blindheit geschlagen? Auf jeden Fall hat der sanierungstechnische Offenbarungseid Folgen für den Dortmunder Spielplan. Die beiden Großproduktionen „Faust. At the Crossroads“ und „Die Kassierer und Die Drei von der Punkstelle“ müssen auf die nächste Spielzeit verschoben werden; auch die Wiederaufnahme des Millionenspiels „Die Show“ kann im Megastore nicht stattfinden. Ansonsten soll gespielt werden wie geplant, wenn auch nicht immer zum vorgesehenen Datum. Ob der Sommerurlaub dann wirklich vor der heimischen Strandtapete am Hiltropwall stattfindet, muss man auch erst mal abwarten.
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