April April, der macht, was er will. Hier ein Scherz, da ein Unglück. Viele Legenden erzählen von Luzifer oder Judas Ischariot. Ihre Geschichten ranken sich immer um den Ersten des Monats, der deshalb auch ein echter Dies ater (lat. für „schwarzer Tag“) sein soll, an dem auch gehandelt und geneckt werden kann. Handlung als solche bestimmt also auch immer das Sein. Auf eine mögliche Spitze getrieben ist das in „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow, eine Tragikomödie in der es um Pflichtbewusstsein, ausschweifenden Lebensstil und unerfüllte Liebe auf einem Landgut in Russland im 19. Jahrhundert geht. Am Theater in Dortmund inszeniert das der Londoner Rikki Henry unter der Prämisse: „Wie soll man leben?“. Diese existenzielle Frage nach dem Sinn bleibt jedoch ungeklärt: Iwán Petrówitsch Wojnízkij (Onkel Wanja, gespielt von Ekkehard Freye) verwaltet gekonnt das Gut seiner verstorbenen Schwester. Der Profit wandert an seinen Schwager, den Kunstprofessor Serebrjaków, und somit an den eigentlichen Schweinehund im familiären System aus Betrug, Schuld und Lüge, der dabei auch noch gut wegkommt (1. (P) 19.30 Uhr & 16.4. 18 Uhr, Theater Dortmund).
Schuld und Lüge sind auch die Keywords im Bochumer Prinz Regent Theater, wo die Studierenden der Regie an der Essener Folkwang Universität der Künste einen Doppelabend inszenieren (10. (P), 11., 12., 13.3., Prinz Regent Theater Bochum). Der beginnt mit „Orestes“ nach Euripides. In der selten gespielten Tragödie geht es um Mord und Totschlag und um die Frage, ob es bei der Tötung der eigenen Mutter Klytaimnestra und deren Mann Aigisthos eher um Tyrannenbefreiung oder um schlichten Terrorismus geht. Denn obwohl zum Tode verurteilt, geht die Gewalt der beiden Geschwister Orestes und Elektra weiter, die natürlich auch eine interessante Vorgeschichte haben. Ob am Schluss wieder der göttliche Apoll auftaucht, bleibt abzuwarten.
Uns hilft kein Gott, unsere Welt zu erhalten (Der blaue Planet, Karat, 1982). Das haben sich damals auch die Protagonisten der Französischen Revolution gedacht und das Land ins blutige Chaos gestürzt. In „Dantons Tod“ nach Georg Büchner – dem zweiten Stück der Essener Nachwuchs-Regisseure – stehen sich Freunde irgendwann als Feinde gegenüber – die Revolution frisst nun einmal immer ihre Kinder. Auch hier geht es um die Prämisse: „Wie soll man leben?“. Und wer das bestimmt, ist nicht immer der Richtige. Die Wahrheit bleibt dabei auf der Strecke.
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Playlist für die Einsamkeit
„Play Loud“ am Theater Dortmund
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
Bakterien im Spa
„Ein Volksfeind“ am Theater Dortmund – Prolog 02/24
Unendliche Möglichkeiten
„I wanna be loved by you“ am Schauspielhaus Dortmund – Prolog 10/23
Analoge Zukunft?
Die Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund eröffnet ihren Neubau – Theater in NRW 10/23
„Dass wir vor lauter Geldfetisch nicht mehr wissen, wo oben und unten ist“
Regisseur Kieran Joel über „Das Kapital: Das Musical“ am Theater Dortmund – Premiere 09/23
Bewegte und bewegende Formen
20 Jahre Ballett in Dortmund – Prolog 08/23
Wodka gegen die Wiederkehr des Gleichen
Anton Tschechows „Onkel Wanja“ am Theater Dortmund – Auftritt 05/23
„Was heißt eigentlich Happy End heute?“
Alexander Vaassen inszeniert „How to date a feminist“ in Bochum – Premiere 05/23
Show und Bedeutung
„Nixon in China“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 03/23
Tanz mit einer toxischen Zwiebel
„Peer Gynt“ am Opernhaus Dortmund – Auftritt 03/23
Widerstand ist immer machbar
Januar-Programm der Freien Theater im Ruhrgebiet – Prolog 01/23
Was wirklich in den Sternen steht
„Liv Strömquists Astrologie“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/25
Tanzende Seelen
„Dips“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 02/25
„Eine Frau, die förmlich im Leid implodiert“
Regisseurin Elisabeth Stöppler über „Lady Macbeth von Mzensk“ in Düsseldorf – Interview 02/25
„Die perfekte Festung ist das perfekte Gefängnis“
Ulrich Greb inszeniert Franz Kafkas „Der Bau“ am Schlosstheater Moers – Premiere 02/25
Nichts für Konfirmand:innen?
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ in Bochum – Prolog 02/25
Zwischen Realität und Irrsinn
„Kein Plan (Kafkas Handy)“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Prolog 01/25
Wenn Hören zur Qual wird
„The Listeners“ in Essen – Prolog 01/25
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25
Wenn KI choreografiert
„Human in the loop“ am Düsseldorfer Tanzhaus NRW – Tanz an der Ruhr 01/25
„Ich war begeistert von ihren Klangwelten“
Regisseurin Anna-Sophie Mahler über Missy Mazzolis „The Listeners“ in Essen – Premiere 01/25
Wenn die Worte fehlen
„Null Zucker“ am Theater Dortmund – Prolog 01/25
„Vergangenheit in die Zukunft übertragen“
Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe über „Give up die alten Geister“ in Bochum – Premiere 12/24