Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Zum Knuddeln
Foto: adimas / Adobe Stock

Wenn die Wife Wifi hat

25. Juli 2022

Von unserer Beziehung zu Maschinen und Bildschirmen – Teil 2: Leitartikel

Auch, wenn die folgende Szene, sie stammt aus einem japanischen Werbespot, zunächst gewöhnlich wirkt, bleiben Sie dran, es wird ungewöhnlich. Wir sehen diesen jungen Mann, wie er sich nach einem anstrengenden Arbeitstag voller Meetings durch Regen und ÖPNV nach Hause müht. Im Bus textet er in sein Smartphone: „Ich bin gleich zu Hause.“ Antwort: „Ich freue mich schon.“ Vor seinem Haus hält er kurz inne, schaut zu seiner Wohnung hoch, es brennt Licht. Später liegt der Mann im Bett und sagt: „Weiß du, es ist ein großartiges Gefühl, dass da jemand ist, der zu Hause auf mich wartet.“

Soweit ein gewöhnlicher kleiner Einblick in eine glückliche Beziehung, oder? Wäre da nicht die Tatsache, dass die Dame, die den jungen Herrn glücklich macht, ein Hologramm ist. Eine etwa 30 Zentimeter große 3D-Darstellung eines blauhaarigen Mädchens im Anime-Stil in einer Art ovalem Goldfischglas. Sie heißt Azuma Hikari. Die Firma Gatebox stellt diese virtuelle Ehefrauen, pardon, Assistenten her. Ja, Hikari kann dich wecken, sie ist Schnittstelle deines Smart-Homes und stellt die Kaffeemaschine so an, dass frisches Gebrüh passend zum Frühstück fertig ist. Aber sie weckt dich eben mit sanften, lieben Worten, wünscht dir viel Spaß auf der Arbeit und sagt dir, dass sie sich auf dich freut. Neben Hikari stehen auch andere Charaktere zur Auswahl, darunter wenige Tiere, Fantasiewesen, Männer und viele Frauen, auch im Bikini oder in schwarzen Overknee-Stiefeln.

Fantasiewesen als Partner

„Support whole your life“ – das sollen die virtuellen Charaktere leisten. Sie sind nicht bloß eine Mensch-Computer-Schnittstelle. Sie begleiten dich durch dein Leben und unterstützen dich. Wie ein (Ehe-)Partner. Doch träumt der Mensch, seit er Maschinen baut, denn nicht davon, dass diese menschlich werden? Die Puppe Olimpia in E. T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“, der Androide Data in „Star Trek“, Siri und Alexa in Millionen real existierenden Haushalten – sie alle zeigen uns, dass der Mensch seine Computer gerne nach seinem Ebenbild schafft. Ist es das – oder verkauft Gatebox ein Produkt für eine einsame Gesellschaft?

Fast ein Viertel aller Japaner wird sein Leben lang alleinstehend bleiben, prognostizieren Soziologen. Im Internet verbreitet ist der Begriff „Waifu“ für eine attraktive weibliche Figur aus einem Anime oder Computerspiel, abgeleitet vom jap.ワイフ ‚waifu‘, was wiederum von engl. ‚wife‘, Ehefrau, kommt. Die Figuren haben sich also von reinen Sexobjekten zu Gattenmaterial entwickelt. Eine Verbesserung im emanzipatorischen Sinne? Wohl eher ein Symptom der Vereinsamung – oder auch der Unselbständigkeit – der Männer.

Checken statt sprechen

Auch in der westlichen Welt steigt die Zahl der Unverheirateten. Zwar sind die nicht unbedingt auch allein, doch zumindest die Partnersuche läuft bei uns verstärkt digital ab. So waren laut einer Parship-Umfrage von 2021 mehr als 50 Prozent der Befragten (beiderlei Geschlechts) der Überzeugung, dass in Zukunft die Partnersuche vor allem online ablaufen wird. Hier ersetzt der Computer nicht den Partner, wohl aber die Interaktion mit anderen Menschen. Wir sprechen niemanden an, wir checken erst ihr oder sein Onlineprofil. Wir fragen nicht nach dem Weg, wir befragen die Routenplaner. Wir nutzen den „Komfort-Check-In“ der Bahn-App, damit uns der Schaffner im ICE nicht stört.

Der moderne Mensch des Westens interagiert viel mehr mit Bildschirmen als mit anderen Menschen. Und dabei haben diese Bildschirme nicht einmal blaue Haare und große Kulleraugen.


ROBOTERLIEBE - Aktiv im Thema

robokind.de | Die Stiftung will „Robotik und Künstliche Intelligenz für alle Menschen zugänglich“ machen.
it-berufe.de/themen/robotik | Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall informiert kompakt über Ausbildungs- und Berufswege in der Robotik.
zdi-portal.de | Die „Gemeinschaftsoffensive zur Förderung des naturwissenschaftlich-technischen Nachwuchses in Nordrhein-Westfalen“ veranstaltet u.a. einen Roboterwettbewerb.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de

Marek Firlej

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Ka Ihh? – Die Berechnung schlägt zurück
„hello computer“ von Felix Brauner auf Der Digitalen Düsseldorf 2022 – Kunst 11/22

Wem gehört die Technik?
Intro – Roboterliebe

Lenins MacBook
Mit Big Data und Algorithmen — „Planwirtschaft“ à la Amazon – Teil 1: Leitartikel

„Dank Maschinen leben wir in Wohlstand“
Robotik-Experte Alin Albu-Schäffer über das Verhältnis von Menschen und Robotern – Teil 1: Interview

Konkurrenz oder Entlastung?
Das Kompetenzzentrum Humaine an der Uni Bochum erforscht Künstliche Intelligenz – Teil 1: Lokale Initiativen

„Der Mensch bleibt der wesentliche Risikofaktor im Straßenverkehr“
Mobilitätsberater Jörn Meier-Berberich über autonomes Fahren – Teil 2: Interview

Er-Fahren macht klug
Das „Interdisziplinäre Zentrum Machine Learning and Data Analytics“ der Uni Wuppertal – Teil 2: Lokale Initiativen

Menschliches Versagen
Das Für und Wider von Sicherheit – Teil 3: Leitartikel

„Die Stimme reicht aus, damit wir uns in etwas verlieben“
Technikphilosoph Oliver Bendel über humanoide Roboter als Beziehungspartner – Teil 3: Interview

Was passiert in der Black Box?
Forschung zur digitalen Bildung an der Universität zu Köln – Teil 3: Lokale Initiativen

Künstliche Intelligenz, aber bürgernah?
Luxemburgs KI-Initative AI4GOV – Europa-Vorbild: Luxemburg

Kick per Klick
Von künstlich-intelligentem Nachwuchs und digitalen Partnern – Glosse

Leitartikel

HINWEIS