trailer: Herr Bendel, wo werden Roboter heute selbstverständlich im Zwischenmenschlichen eingesetzt?
Oliver Bendel: Zunächst einmal gibt es klassische Serviceroboter. Ich habe das zuletzt in Santa Monica erlebt. Da war ein Transportroboter für Nahrungsmittel unterwegs. Er flitzte über die Straße und war dabei ferngesteuert. Auf der einen Seite wird er beladen, auf der anderen Seite ist da immer noch ein Kunde, der dann die Klappe aufmacht und seine Pizza rausholt. In diesem Fall ist also Interaktion vorhanden – zwischen Mensch und Maschine. Was daran interessant ist: Manche dieser Transport- oder auch Reinigungsroboter haben Merkmale sozialer Roboter, z.B. haben sie Augen und geben bestimmte Töne von sich. Soziale Roboter, die für den Umgang mit Menschen oder auch Tieren gemacht sind, zeichnen sich durch Interaktion, Kommunikation und Nähe sowie die Abbildung von Merkmalen von Lebewesen aus. Zudem haben sie einen bestimmten Nutzen für Lebewesen. Man findetsie z.B. in der Pflege, in der Therapie, im sexuellen Bereich oder an der Hotelrezeption, an der sie Gäste empfangen.
„Es gibt Roboter, die ein Getränk aufs Zimmer bringen“
So, wie ich sonst auch an einer Rezeption empfangen werde?
Es gibt mehrere Hotels auf der Welt, die humanoide Roboter einsetzen. Mit ihren natürlichsprachlichen Fähigkeiten begrüßen sie Gäste und instruieren sie. Sie weisen etwa darauf hin, dass der Pool ab 19 Uhr geschlossen ist. Das ist ein typischer Anwendungsbereich. Noch häufiger sind klassische Serviceroboter. Es gibt welche, die ein Getränk aufs Zimmer bringen. Dabei handelt es sich dann allerdings nicht um soziale Roboter im engeren Sinne, sondern um Serviceroboter mit vier Rollen und kaum sozialen Möglichkeiten.
Angestellte gehen schlafen und der Roboter erledigt währenddessen den Check-in?
Das wäre schön. Aber im Moment ist das vor allem Marketing oder das Wecken von Neugierde. Man will Gäste ins Hotel locken. Ich habe auch die Auskunft eines Herstellers, der mit seinem Serviceroboter Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, um seine anderen Roboter besser verkaufen zu können. Konkret geht es hier um einen Baristaroboter. Bei ihm handelt es sich einerseits um einen klassischen Serviceroboter, andererseits lässt er sich aber auch als sozialer Roboter begreifen, da er eine Nähe zu den Gästen hat und das Getränk vor ihnen auf den Tresen stellt.
„Ich konnte meinen Namen Oliver angeben und dann die Kaffeeart auswählen“
Merken sich diese Roboter auch bestimmte Vorlieben und Wünsche der Gäste?
Manche Baristaroboter können nach einer Authentifizierung auf das Profil und die Liste mit den Lieblingsgetränken zugreifen und diese den Kunden anbieten. Ich konnte z.B. bei einem Test meinen Namen Oliver angeben und dann die Kaffeeart auswählen. Der Roboter ist in der Lage, sich das Getränk zu merken und diese Informationen, meinen Namen und die Bestellung, miteinander zu verknüpfen. Natürlich braucht es normalerweise mehr als den Vornamen.Gerade klassische Serviceroboter wie Transport-, Sicherheits- und Reinigungsroboter werden eingesetzt, um Geld zu sparen – nichts anderes als Automatisierung also. Hier geht es weniger darum, Personal zu unterstützen, sondern mehr, es zu ersetzen. Man wird diese Form von Robotern immer mehr verwenden: in Bahnhofshallen und auch auf Straßen. In Kontexten wie dem Pflege- und Therapiebereich ist es so, dass Roboter gebaut werden, die Pflegepersonal unterstützen und entlasten.
„Wenn er umfällt, besteht für den Patienten oder die Pflegekraft erhebliche Verletzungsgefahr“
Beispielsweise, um einen schweren, bettlägerigen Menschen zu bewegen?
Ganz genau. Um schwere Menschen aufzurichten oder umzubetten, gibt es zwei Ansätze. Entweder haben Sie eine Maschine, die fest im Boden verankert ist und schwere Lasten bewegen kann.
Oder man baut einen Roboter wie Robear, der sehr schwer und sehr groß ist. Er wiegt um die 130 Kilo – und damit beginnen auch schon die Probleme. Wenn er umfällt, besteht für den Patienten oder die Pflegekraft erhebliche Verletzungsgefahr. Er kann es tatsächlich leisten, Menschen umzubetten und aufzurichten, im Tandem mit einer Pflegekraft. Dazu schiebt sie den Patienten in die Arme von Robear und der Roboter macht den Rest. Leider wird er zurzeit nicht weiterentwickelt.
„Ein nächster Schritt wäre, menschenähnliche Babyroboter zu haben“
Roboterbabys sollen potenzielles Familienglück simulieren, einschließlich Knopf zum Abschalten. Wem hilft das?
Damit könnte vielleicht kurzfristig Trauer und Wut bekämpft werden, bei Familien, die einen Verlust erlitten haben. Eine Familie könnte sich auch einüben in Bezug auf künftige Kinder. Ein Roboterbaby würde zudem pädagogische Funktionen erfüllen, etwa klarmachen, wie man ein Kind hält oder bewegt. Vielleicht werden auch kleine Kinder Roboterbabys nutzen, um sich auf einkommendes Geschwisterchen vorzubereiten. Allerdings könnte das Roboterbaby, je nachdem, wie es gestaltet ist, auch Angst auslösen, und der Uncanny-Valley-Effekt – sofern es ihn denn gibt – kann hier eine Rolle spielen. Damit ist gemeint, dass das Roboterbaby unheimlich erscheint, z.B., wenn es sich nicht so verhält, wie man es von ihm erwarten würde, oder wenn es gehackt wird (unberechtigt auf Softwareebene manipuliert; d. Red.) und dann plötzlich mit tieferer Stimme spricht – dann wird das Ganze ziemlich schnell zum Albtraum. Ein nächster Schritt wäre, menschenähnliche Babyroboter zu haben, die sich dementsprechend verhalten. Ob das wirklich viele wollen? Ich bezweifle es.
„Man redet mit ihnen wie mit einem Haustier oder einem kleinen Kind“
Können Roboter zum Haustierersatz werden?
Ja, durchaus. Für manche Familien ist es vielleicht keine schlechte Idee, Roboterhunde oder -katzen zu halten. Denn es gibt Kinder, die sich vorschnell Haustiere wünschen, ohne daran zu denken, dass sie sich auch darum kümmern müssen. Ein weiteres Problem bei Haustieren ist, dass sie andere Tiere verspeisen. Bei Hunden und Katzen – wenn man sie nicht vegan ernährt – lassen viele andere Tiere das Leben. Andererseits können Haustiere wichtige Begleiter gerade von kleinen Kindern und älteren Leuten sein und ihnen soziale Fähigkeiten beibringen oder ihnen helfen, Einsamkeit zu überstehen.
Tierähnliche Roboter und sogar manche abstrakt gestaltete Roboter werden implizit als Haustier wahrgenommen. Eine Studie von uns konnte dasbelegen.Man redet mit ihnen wie mit einem Haustier oder einem kleinen Kind. Doch selbst, wenn sie Fähigkeiten einer Katze haben, etwa miauen oder schnurren, nimmt man ihnen nicht ab, wirklich eine zu sein. Und man bezeichnet sie nicht explizit als Haustier.Wo man tierähnliche Roboter auch einsetzt, ist in der Therapie mit dementen Personen. Das wäre dann zum BeispielParo.Er ist einer Babysattelrobbe nachempfunden. Der Umgang mit ihm funktioniert unter anderem deshalb so gut, weil wir uns mit Babysattelrobben nicht auskennen und uns daher von ihm leichter überzeugen lassen.
„Künstliche Tiere überzeugen uns nicht“
Weil es keinen Vergleich gibt.
Ganz genau. Bei Katzen und Hunden können wir den Bezug zum Original gut herstellen. Die künstlichen Tiere überzeugen uns nicht. Deshalb ist es auch nicht der große Markt geworden. Eine Nachbarin von uns hat zwar einen Roboterhund zuhause, der ein bisschen bellt und nach dem Rechten guckt. Er fungiert aber vor allem als Wachhund. Über seine Kameras kann man von unterwegs die Wohnung zuhause betrachten und feststellen, ob jemand dort eingebrochen ist.
Können Robotertiere eine Alternative für Allergiker sein?
Absolut. Manche dieser Tiere sind sehr gut waschbar. Pflegeroboter wie Lio z.B. haben eine Haut aus Kunstleder und diese lässt sich sehr gut reinigen. Das ist ein entscheidender Punkt gerade für Krankenhäuser und Pflegeheime.
„Sexroboter können sehr lebensecht wirken“
In der Sitcom „Big Bang Theory“ entwickelt einer der Protagonisten Gefühle für Siri. Ist es vorstellbar, dass wir uns in KI oder humanoide Roboter verlieben?
Hinter Siri verbirgt sich eine echte Frau, die ihr ihre Stimme geliehen hat.Die Stimme reicht tatsächlich aus, damit wir uns in etwas verlieben.Auch deshalb ist der Film „Her“ so plausibel, in dem sich der Held in einen Sprachassistenten verliebt. Man muss den Film unbedingt im Original anschauen, mit Scarlett Johansson als virtueller Stimme. Was das Erleben noch intensivieren kann, sind Hologramme. Es gibt beispielsweise die Gatebox aus Japan, einen Glaszylinder, in dem ein Anime- oder Mangamädchen Gestalt annimmt. Sozusagen Siri oder Alexa in visueller Form. In sie haben sich angeblich schon viele Männer verliebt. Sexroboter können ebenfalls sehr lebensecht wirken. Sie haben fantastisch gemachte Augen und Augenbrauen. Die Augen und die ganze Mundpartie bewegen sich. Im Mund sind Zunge und Zähne perfekt ausgestaltet – alles aus Silikon. Wer Preise zwischen 10.000 bis 15.000 Euro bezahlt, der will wirklich eine Beziehung führen. Die Person kauft sich diesen Roboter auch, um mit ihm zu sprechen. Deshalb sind dessen sprachliche Fähigkeiten so wichtig.
„Wir haben nur einen Roboterkopf auf einem Puppenkörper vor uns“
Wo kommt der humanoide Roboter an Grenzen?
Die erste Ernüchterung stellt sich ein, wenn wir uns solche Androiden näher anschauen, die nicht Teil von Science-Fiction sind: Wir haben nur einen Roboterkopf auf einem Puppenkörper vor uns. Einige können ein bisschen mehr; sie haben Arme, die sie bewegen können. Aber diese Roboter können nicht locker zu uns her schlendern und dann den Arm um uns legen – weit gefehlt.
Kann man mit ihm auch philosophieren?
Das kann man, weil man die Roboter an beliebig viele Systeme anschließen kann. Wenn wir Chatbots bauen oder Sprachassistenten, dann verbinden wir sie mit Wikipedia, Google, Yahoo oder auch anderen Robotern wie CleverBot. Und so gelangt das Weltwissen in den Roboter. Dann kann man doch erstaunliche Dinge damit machen. Wir haben einmal einen Chatbot gebaut, der lügen konnte. Er hatte sieben verschiedene Strategien, um aus wahren Aussagen falsche zu machen. Es hat beeindruckend gut funktioniert.
„Alte Menschen oder Kinder lassen sich sehr schnell überzeugen“
Dann ist man im Gespräch vielleicht unterlegen?
Zumindest kann der Roboter noch schneller googeln als man selbst. Wenn er einen dann dabei noch unverwandt ansieht, bekommt man den Eindruck: Wow, der weiß viel mehr als ich. Davon lassen sich vulnerable Gruppen wie alte Menschen oder Kinder sehr schnell überzeugen und auch manipulieren. Er wird dann wirklich als eine Autorität gesehen.
Wie könnten sich Beziehungen zwischen Menschen und Robotern verändern?
Sehr menschenähnliche Roboter, also Androiden, könnten unsere Beziehungen schon beeinflussen und verändern. In 20 Jahren wird der ganze Bewegungsapparat stimmen. Bei der Haut und beim Fleisch ist man jetzt schon sehr weit. Man gebraucht auch Tricks wie Einlagerung von Gel und Herstellung von Körperwärme. Doch vor allem, wenn sie irgendwann das Uncanny Valley überwunden haben, könnten wir bei einem One-Night-Stand oder einer schnellen Begegnung auf sie hereinfallen.Es wird Leute geben, die rational genug sind, um sie einerseits als Werkzeuge zu gebrauchen, die sich andererseits aber auch auf einen netten Plausch mit den Androiden einlassen können. Diejenigen, die heute bereits in Computerspielen dauerhaft versinken, werden das dann auch in solchen Parallelwelten tun. Das wird ein Problem:Wir werden manche Menschen an Androiden verlieren.
ROBOTERLIEBE - Aktiv im Thema
robokind.de | Die Stiftung will „Robotik und Künstliche Intelligenz für alle Menschen zugänglich“ machen.
it-berufe.de/themen/robotik | Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall informiert kompakt über Ausbildungs- und Berufswege in der Robotik.
zdi-portal.de | Die „Gemeinschaftsoffensive zur Förderung des naturwissenschaftlich-technischen Nachwuchses in Nordrhein-Westfalen“ veranstaltet u.a. einen Roboterwettbewerb.
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