Das Licht verlosch, das Stimmengewirr verstummte, die große Leinwand am Ende des Saals zeigte sich zunächst schwarz. Dann erschienen weiße Buchstaben, der Verein Klack Zwo B e.V. gab sich als Urheber des Videos zu erkennen. Schließlich groß der Schriftzug: „blicke aus dem Ruhrgebiet“, in der Mitte ein aufmerksames Auge. Das Video, das den Abend der Festivaleröffnung einleitete, erkannten langjährige Freund:innen des Festivals sofort, den anderen wurde es erklärt: es ist der archivierte Aufruf, Filme für den Wettbewerb des ersten Filmfestivals einzureichen, das als 1. Bochumer Video- & Super-8-Film Festival vom 24. bis 25. April 1993 stattfand.
Dynamische Rück-blicke
Nach dem Abspielen des Aufrufs wurde gejubelt, so begann das 30. blicke-Festival mit einem Rückblick auf seine Wurzeln. Auch der nächste Film war ein Rückblick: Kniespiel III von Claus Blume war die erste von insgesamt knapp 300 Stunden Film, die in den letzten 30 Jahren in Langendreer von der Rolle liefen. Zu sehen ist ein Holzlöffel, geschlagen auf ein Knie. Stampfend gesellt sich ein lederbeschuhter Fuß hinzu, ein Akkordeon spielt, schließlich mündet die Szenerie in einer Choreografie von Männern in bayrischer Tracht. Was das Ganze mit dem Ruhrgebiet zu tun hat? Das erklärte Festivalgründerin Gabi Hinderberger: Der Film passte als Einstiegsfilm, denn „wir fühlten uns genauso dynamisch!“ Dass kein Ruhrgebietsbezug erkennbar ist, war für die Auswahl des Films ein Plus: „Wir wollten ein bisschen mit den Erwartungen des Publikums spielen.“ 30 Jahre später gelang dies erneut.
Vergangenheit und Zukunft
Doch auch um Gegenwart und Zukunft des Festivals und seines Mediums Film ging es bei der Eröffnung: Gabi Hinderberger betrat nur kurz die Bühne, vor zwei Jahren hat ist sie die Leitung weitergegeben an Katharina Schröder, Felix Hasebrink und Alisa Berezovskaya – ein „erfolgreicher Generationenwechsel“, wie es der Kulturbüroleiter Bernhard Szafranek in seiner Rede hervorhob. Unter der neuen Leitung stellt sich blicke, ein Festival, das tief in der Videobewegung verankert ist, weiterhin die Frage, wohin der Film geht. Woher er u.a. kommt, ist trotz des kalkulierten Bruchs in der Wahl des Eröffnungsfilms klar genug: aus dem Ruhrgebiet. Denn der Ort ist für blicke nicht unerheblich. In vielen Filmen, durch die Konzeption und den Ort Ruhrgebiet spielt er eine große Rolle als „Gegenstand, wo Vergangenheit erforscht und Zukunft bereits erahnt werden“ kann, wie es in der Rede der Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Tourismus Barbara Jessel hieß.
Krise und Film
Für diese Erforschung ist der Film ein Brennglas: er lenkt die Wahrnehmung der Zuschauer:innen, lehrt, die Blicke der anderen auszuhalten, kann Navigationshilfe sein für Krisen; in den Worten von Felix Hasebrink: „Der Film kann Antworten finden.“ Aber Antworten kosten Geld, und so fänden sich Künstler:innen in der Rolle von Bittsteller:innen. Trotzdem stellte Hasebrink klar: „Wir glauben auch heute noch an regionale Filmkultur“, eine, die „über Bergbauromantik, Postkartenfördertürme und Currywurst hinausgeht“, die weder rückwärtsgerichtet ist noch provinziell, und die gerade deswegen geeignet sei, Antworten zu liefern auf die Fragen der Zukunft. So hieß es sicherlich nicht zum letzten Mal: Glück auf und Film ab!
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