Es ist nicht selbstverständlich, auf Filmfestivals mit Regisseur:innen, Produzent:innen und anderen Akteur:innen ins Gespräch zu kommen. Doch blicke sorgt jeden November dafür, dass Cinephile ins gemütliche endstation Kino strömen. In der Regel sorgt das zwar für viel Gedrängel im Lichtspielhaus des Bahnhofs Langendreer; zugleich beschert es eine fast familiäre Stimmung, die das Festival auszeichnet – und das seit bereits 30 Jahren.
Im November konkurrieren daher nicht nur 27 eingereichte Filme in einem Wettbewerb um sechs Filmpreise. Anlässlich des runden Geburtstags gibt es zudem viele Rückblicke, darunter die Veranstaltung „Dirty Thirty“, bei der am ersten Festivaltag Skurriles aus 30 Jahren blicke zu entdecken ist. Und bereits einen Tag vor dem Festivalbeginn gibt es die Möglichkeit alte Beiträge der letzten Jahre im Bochumer Stadtarchiv zu sehen. Da schlagen die Herzen von Cineasten und von Ruhrpotthistoriker:innen höher, denn in drei Jahrzehnten hat sich so manche Leinwandperle angesammelt, die den Fokus auf das Zusammenleben und die Menschen in der Region richtet.
Schließlich lädt das Festival traditionell in der Rubrik „ein-blicke“ dazu ein, Filme mit einem expliziten Ruhrgebietsbezug einzureichen. Genauso werden in der Sparte Beiträge von Regisseur:innen gezeigt, die biographisch mit dem Ballungsraum verbunden sind. So legen insbesondere Dokus und Essay den Fokus auf die sozialen Beziehungen der Menschen zwischen Marl und Hamm. In diesem Jahr fragen sie etwa nach der potenziellen Zukunft einer McDonalds-Filiale in der Herner Innenstadt oder begleiten den Alltag einer iranisch-afghanischen Familie in Hattingen. Felix Bartke und Nils Ramme widmen sich dagegen in ihrer Doku „Cruiser“ einer Oberhausener Subkultur, welche die Gepflogenheiten der maskulinen Outlaw-Motorrad-Szene auf die gruppendynamische Nutzung eines anderen Fahrzeugs überträgt: das Fahrrad. Beide thematisieren damit in Fragmenten die Konstruktion von Männlichkeit.
Vielversprechend sind auch die Beiträge unter der Rubrik „aus-blicke“, die Brücken zu anderen Regionen in Deutschland und der Welt schlagen. Dass es an anderen Ecken deutliche Parallelen zum postindustriellen Ruhrgebiet gibt, zeigt etwa „Lamarck“, der erst in diesem Mai den Preis des NRW-Wettbewerbs bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen erhielt. Marian Mayland greift etwa die fein komponierten Aufnahmen einer vom Braunkohletagebau zerklüfteten Landschaft allegorisch auf, um Schicht für Schicht die Generationen einer Familie zu porträtieren und zugleich dieses Modell des Zusammenlebens zu hinterfragen.
Ein weiteres Filmprogramm widmet sich einer jungen Medienutopie, die nie verwirklicht wurde: uneingeschränktes Wissen und Begegnungsräume ohne Hierarchie oder Diskriminierung durch das World Wide Web. Darum drehen sich am vorletzten Festivaltag die Beiträge unter dem Titel „The Future that Never Happened: Utopien des Internets“. Zuvor können Gäste noch an einem Ausflug in die weltweit größte begehbare Camera Obscura teilnehmen. Treffpunkt für die gemeinsame Anreise ist die endstation.
blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets | 23.-27.11. | endstation Kino, Bochum | blicke.org
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