Das Bochumer Museum ist ein heiliger Raum der Stille. Keine Schlangen vor den Schaltern, kein Radau aus dem Museumsshop. Hier dürfte sich Buddha wohlfühlen, dessen steinerner Fußabdruck aus Nordwest-Pakistan ein paar Meter hinter dem Eingang in einer Glasvitrine liegt. Für den Zen-Buddhisten Willy Decker, der neben der Arbeit an seiner letzten RuhrTriennale auch als Mit-Kurator für die Ausstellung „Buddhas Spur“ verantwortlich zeichnet, ist dieser Abdruck sicher kein bedeutendes Relikt, Zen lehnt solche Zeugnisse des Erleuchteten eigentlich rigoros ab. Zeitgenössische Kunst aus Asien zeigt die Schau, die selbst ein ruhender Pol über zwei Etagen ist. Der Mischung aus historischen Buddha-Statuen, Mandalas und frühen Rollbildern des Buddhismus wird Malerei und Fotografie von heute gegenübergestellt, in der letzten Ecke auch das Bild eines von den Taliban zerstörten Buddhas aus dem Bamiyan-Tal in Afghanistan.
Im Erdgeschoss liegt der Tatami-Raum, in dem getuschte Zen-Bilder konzentriert werden, in der Mitte ein traditioneller Boden, der zur Meditation einlädt, der aber wohl selten im Museum genutzt werden wird. Das älteste Gemälde ist ein „rechtsgewandter Daruma“ von Fugai Ekun (1568-1654), dem Urvater des Zenga. Vor ihm wurden die Werke von Berufskünstlern gemalt, er verstand seine Arbeiten als sichtbare Predigten. Neben dem separierten Raum stehen die aktuellen Objekte von Long-Bin Chen. Der taiwanesische Künstler macht Skulpturen aus alten Telefonbüchern, Zeitungen oder Magazinen. Er fing damit bereits in den 1990ern an. Damals wurden Computer ein immer wichtiger werdendes Medium. Seine Idee war, den verschwindenden Büchern ein neues Leben zu geben, sein „Happy Buddha“ (2007) aus den Gelben Seiten von New York ist ein echter Knaller: Er wurde gestapelt, gepresst und dann mit der Flex bearbeitet. Gleich gegenüber drei Arbeiten von Nam June Paik, dem koreanischen Altmeister der Medienkunst. Auch er hat seine Wurzeln im Buddhismus nie verleugnet, wie in Bochum eine frühe Zeichnung von 1972 und der TV Buddha (Gandhi on Sunday) von 1989.
Im Oberlichtsaal im ersten Stock dann die Großformate. Der Tibetaner Gonkar Gyatso hat zehn große Tafeln an die Wand gelehnt. Eigentlich stehen sie auf kleinen Gebetsmühlen und zeigen in der Totale einen liegenden Buddha aus Tausenden kleinen Aufklebern und mit Bleistift gezeichnet. „Reclining Buddha. Shanghai to Lhasa Express“ von 2009 ist neun Meter breit, jede Tafel ist einer anderen Location gewidmet und könnte theoretisch auch separat funktionieren. Hier verwebt er tantrische Ästhetik mit Popkultur, in seinen fotografischen Selbstbildnissen zeigt er die Spuren zwischen der Historie und dem wechselnden Jetzt. Andere Spuren dokumentiert Atta Kim. Der koreanische Künstler ist mit Sicherheit einer der bekanntesten Fotografen seines Landes. Er belichtet Menschen und Objekte auf Plätzen wie dem Times Square, den Champs Élysées oder in indischen Dörfern acht Stunden lang. Die großformatigen Fotos zeigen Architektur pur, die Lebewesen sind verschwunden, nur ein feiner Nebel verrät, dass da etwas verschwunden ist. „Alle Dinge vergehen letztendlich“ Das ist die konzeptuelle Idee, die hinter dem ON-AIR-Projekt steht. „Buddhas Spur“ ist eine Ausstellung, die man mehrfach sehen muss.
„Buddhas Spur“ I bis 13. November I Kunstmuseum Bochum I 0234 910 42 30
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