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Julia Lerch Zajączkowska
Foto: Daniel Sadrowski / Kunstmuseum Bochum

„Toll für die Stadt, dass wir dieses Museumsgebäude haben“

31. Oktober 2023

Kuratorin Julia Lerch Zajączkowska über die Jubiläumsausstellung des Kunstmuseums Bochum – Sammlung 11/23

Vor 40 Jahren wurde der Anbau des Kunstmuseums Bochum eröffnet. Die damit einhergehende Kunst am Bau prägt den Charakter des Gebäudes. Für die Jubiläumsausstellung „Our house is a very very very fine house“ setzen sich elf neue künstlerische Arbeiten mit dem Gebäude auseinander. Ein Gespräch über offene Räume, das Museum als Werkstatt und die künstlerische Teilnahme des Publikums.

trailer: Frau Lerch Zajączkowska, zwei Jugendstilvillen mussten schon in den 1970er Jahren weichen, ein Drogenhilfe-Standort wurde geschlossen – für einen neuen Museumsanbau in Bochum. War es das wert?

Julia Lerch Zajączkowska: Das kann nicht so leicht mit ja oder nein beantwortet werden. Aber dass wir heute dieses Museumsgebäude in dieser Form haben ist spektakulär und toll für die Stadt.

Wie funktional ist das Gebäude aus Ihrer Sicht für den Museumsbetrieb?

Das Besondere an diesem Gebäude ist, dass die Räume offen sind. Jede Ausstellung kann mit einer anderen Ausstellung im Haus theoretisch zu tun haben. Dazu haben wir einen großen Veranstaltungsraum der flexibel einsetzbar ist. Im Prinzip findet Kunst also nicht nur im Ausstellungsraum statt, sondern auch davor und dazwischen.

Das Besondere an diesem Gebäude ist, dass die Räume offen sind“

Wir wichtig ist diese zentrale experimentelle Treppe der dänischen Architekten Jørgen Bo & Vilhelm Wohlert?

Das ist eine monumentale ästhetische Struktur. Und sie ermöglicht, dass Menschen die gehen oder im Rollstuhl sitzen oder Eltern mit Babys im Kinderwagen hoch und runter kommen. Die Treppe verbindet alle Räume und hat dabei auch etwas Spielerisches.

Sie nimmt aber viel Platz in Anspruch.

Ja, aber es muss ja nicht immer alles praktisch sein.

Die Ausstellung will eigenwillige Arbeiten als Reaktion auf das Gebäude zeigen. Was dürfen wir erwarten?

Ganz unterschiedliche und vor allem viele neue Arbeiten. Es sind 14 Künstler:innen beteiligt und es entstehen elf neue Arbeiten. Sie alle beschäftigen sich mit Architektur. Wir werden eine im Gebäude angeblich fehlende Säule jetzt aus Pilzorganismen im Ausstellungsraum wachsen sehen. Wir haben einen analogen Wärmesammler, der Sonnenenergie sammelt und in den Ausstellungsbereich leitet, damit das Team und das Publikum Wärme abbekommen. Es gibt auch sinnliche textile Arbeiten mit ganz unterschiedlichen Formen, die sich über zwei Etagen erstrecken. Die Arbeiten haben gemeinsam, dass es um das Zusammenkommen geht, nicht nur menschlich, sondern auch was Material oder Ideen betrifft.

Es geht um das Zusammenkommen: Menschlich und auch, was Material oder Ideen betrifft“

Und im Außenbereich?

Ausgangspunkt ist Kunst am Bau mit vielen bestehenden Werken, die schon 1983 eingebaut wurden und die im Prinzip das Museum rahmen, wie die Bodenplastik von Jiri Hilmar. Wir haben aber auch Theresa Weber dabei, die für die Flaggenmasten eine neue Arbeit entwickelt. Das heißt, man wird schon draußen mit neuer Kunst begrüßt.

Die Stadt ist damit zufrieden? Bochum ist ja nicht gerade berühmt für den Umgang mit Kunst am Bau?

Ich denke, mit dem, was da ist, kann die Stadt zufrieden sein und ist sie auch. Wir haben momentan eine sehr umfassende Restaurierung des großen Wandmosaiks von Mogens Andersen ermöglicht auch durch Fördergelder des Landes. Wenn ich in die Geschichte schaue, wie eigentlich die Kunst am Bau finanziell realisiert wurde, war das vor allem die Sparkassenstiftung und damals auch Opel, bei der Plexiglaswand von Terry Haass, aber viel wurde auch mit privatem Engagement möglich. Insofern gibt es auch eine Wertschätzung.

Besucher:innen werden in ganze Räume integriert“

Wie partizipativ ist die Ausstellung, werden die Besucher:innen Teil der einzelnen Arbeiten?

Die Besucher:innen werden in einzelne Arbeiten aber auch in ganze Räume integriert. Im Erdgeschoss gibt es einen hybriden Ausstellungsraum. Wir nennen das gerade Werkstatt. Eine Anknüpfung an die Eröffnungsrede von 1983, wo eben das neue Museumshaus als Ort mit Werkstattcharakter bezeichnet wurde – und nicht als Tempel der Repräsentation. Das wollen wir aufgreifen. Nicht nur die Künstler:innen, sondern auch das Publikum wird aktiv in den Räumen. Da gibt es verschiedene Arbeiten und Workshops. Einer im Besonderen ist von Maximiliane Baumgartner, die sogenannte Action Settings in diesem Werkstattraum konzipiert. Da kann man an einer Schattenkartierung teilnehmen oder sich über architektonische Utopien zu Spielplätzen Gedanken machen und Modelle bauen.

Der Bochumer Museums-Neubau von 1983, Foto: Heinrich Holtgrebe

Welchen Stellenwert hat das Bochumer Museum heute im Museumsnetzwerk von NRW?

Wir sind Teil der 21 Ruhrkunstmuseen und in einem sehr guten und kollegialen Austausch. Ich denke, alle diese Museen haben ihre Alleinstellungsmerkmale. Ich würde mal behaupten, dass wir das architektonisch spektakulärste sind, mit einer kleinen feinen Sammlung dazu. Wir hoffen, dass mit dieser Ausstellung und über sie hinaus Bochum mit dem Kunstmuseum auch für Architekturfreunde nochmal wichtiger wird.

Wir hoffen, dass Bochum für Architekturfreunde nochmal wichtiger wird“

Wird es nochmal eine Auseinandersetzung mit osteuropäischer Avantgarde geben?

Ja, die gibt es weiterhin und wir sind dabei neue Netzwerke aufzubauen und an alte anzuknüpfen. Mit dem Kunstmuseum Olmütz in der Nähe von Prag sind wir in einer Kooperation, wo wir das Archiv von Peter Spielmann, dem ehemaligen Direktor hier, zusammen erforschen. Und wir planen eine Ausstellung in Olmütz nächstes Jahr.

Our House, in the Middle of Our Street“ [aus dem Song der Band Madness; d. Red.]. Singen Sie denn bei der Eröffnung mit beim Kunstmuseum Bochum Super-Polyphon-Chor?

Wir beziehen uns auf den Song von Crosby, Stills, Nash & Young. Aber das andere passt auch! Ja sicher, ich singe und hoffe es singen ganz viele Leute mit. Anfang November (4. und 12.) findet eine öffentliche Probe statt, geleitet von Fion Pellacini, der auch in der Ausstellung vertreten ist.

Our house is a very very very fine house | 18.11. bis 28.4.2024 | Kunstmuseum Bochum | Infos: 0234 910 42 30

Interview: Peter Ortmann

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